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Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Titel: Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klußmann
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Säbel auf den Kopf und rief: »Ich bin ein Samurai.« Nikolai behielt eine Narbe und eine Neigung zur Migräne.
    Als Zarewitsch musste Nikolai eine Prinzessin aus dem europäischen Hochadel heiraten. Seine Wahl fiel, wie so häufig in seiner Familie, auf eine Deutsche, Alix von Hessen-Darmstadt, die Tochter des Großherzogs Ludwig IV. von Hessen. Da Alix erst sechs war, als ihre Mutter starb, war sie bei ihrer Großmutter Queen Victoria in England aufgewachsen. »Sie ist sehr britisch und spricht dauernd Englisch«, mokierte sich ein Minister über sie. Bevor sie den Zaren heiratete, musste Alix wie üblich zur orthodoxen Kirche konvertieren und bekam den Namen Alexandra Fjodorowna.
    Nikolai war 26 Jahre alt, als sein Vater Alexander III. starb. Am 14. Mai 1896 nahm er in Moskau aus der Hand des Metropoliten die Zarenkrone entgegen und setzte sie sich aufs Haupt. Doch bei dem großen Volksfest anlässlich der Krönung, zu dem mehrere hunderttausend Menschen zusammengeströmt waren, kam es zu einer Panik. Die Masse trampelte mehr als 1300 Menschen zu Tode: ein böses Omen für den frisch Gekrönten. Nikolai fühlte sich unwohl in seiner neuen Rolle. »Ich bin aufs Regieren nicht vorbereitet«, vertraute er einem Cousin an. »Ich verstehe nichts von Staatsgeschäften. Ich weiß nicht einmal, wie man mit Ministern redet. Ich wollte nie Zar werden.«

Porträt des Kaisers Nikolai II . Alexandrowitsch
    (Kolorierte Fotografie, um 1910)
    AKG

Als Fehlbesetzung nahmen ihn auch andere wahr. Als er Abgeordnete der regionalen Vertretungen empfing, kanzelte er alle Wünsche nach Partizipation als »unsinnige Träume« ab. Er erklärte, dass er »ebenso fest und unerschütterlich am Prinzip der Autokratie festhalte wie mein unvergesslicher Vater«. Anarchisten antworteten in einem offenen Brief: »Alles Verlangen der Nation, etwas anderes zu sein als Sklaven«, sei auf »brutale Ablehnung gestoßen«. Nikolais Widersacher warnten ihn: »Sie haben den Kampf begonnen; es wird nicht lange dauern, und Sie werden sich mitten im Getümmel befinden.« So kam es unvermeidlich.
    Nikolai war absoluter Herrscher über den despotischsten und rückständigsten Staat des Kontinents. In Russland gab es weder ein Parlament noch eine Verfassung und auch keine Rechtssicherheit. Über vier Fünftel der Bevölkerung lebten auf dem Land. Die meisten von ihnen darbten in Dreck, Armut und Analphabetismus. Von den 142 Millionen Hektar Land in den Kommunen waren über 110 Millionen in Privateigentum, der größte Teil gehörte Adligen. Erst seit 1861 waren die Bauern keine Leibeigenen mehr, doch sie ächzten unter dem Joch der Ablösezahlungen und Zinsen für das von ihnen erworbene Land.
    Die absolute Monarchie Russlands wirkte Anfang des 20. Jahrhunderts reichlich absurd. Der Kaiser beschäftigte rund 15000 Bedienstete, und die Großfürsten, die Söhne und Enkel der Zaren, bekamen Apanagen, die sich auf 280000 Rubel, rund 600000 Goldmark, im Jahr summierten. Sie unterstanden keiner Gerichtsbarkeit. Viele Großfürsten waren korrupt; ihre Reichtümer verprassten sie in St. Petersburg, Berlin oder Paris. Wenn sie mit ihren Gattinnen die höfischen Bälle besuchten, waren deren Kleider mit Rubinen, Smaragden und Saphiren bestickt. Nikolai glaubte, seine Mission sei es, das Gottesgnadentum und die Autokratie zu erhalten. Doch er hatte, notierte der britische Botschafter Sir George Buchanan, »von seinem Vater weder den festen Charakter noch die Fähigkeit zu schnellen Entscheidungen geerbt, welche für einen absoluten Monarchen unverzichtbar sind«.
    Der Zar war ein Zauderer. Meist erlag er dem Druck desjenigen, der als Letzter mit ihm gesprochen hatte. Und er war konfliktscheu: Seinen Ministern widersprach er nicht, sondern löste sie ab, wenn ihre Vorstellungen nicht seinen entsprachen. Gebildete, nachdenkliche Menschen waren ihm zuwider. »Intelligenzija. Wie ich dieses Wort hasse«, rief er einmal aus. »Am liebsten würde ich die Akademie zwingen, es aus dem russischen Wörterbuch zu streichen.«
    1902 ernannte er den deutschstämmigen Wjatscheslaw von Plehwe, einen rücksichtslosen Reaktionär, zum Innenminister. Plehwe setzte auf Repression und Russifizierung, förderte den Antisemitismus und ließ Soldaten auf streikende Arbeiter schießen. Dem französischen Botschafter sagte er: »Ich habe mich auf den Kochtopf gesetzt. Ich werde mit ihm explodieren.« So kam es. Am 28. Juli 1904 tötete ihn die Bombe eines Terroristen. Der Innenminister hatte

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