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Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Titel: Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klußmann
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November 1891 schließt Uljanow sein Studium an der Universität St. Petersburg mit der Bestnote ab. Danach kehrt er 1893 in die Hauptstadt zurück. Dort arbeitet er offiziell für einen vereidigten Rechtsanwalt und inoffiziell für die Revolution.
    Der 23-Jährige liest Werke von Karl Marx und Friedrich Engels und schreibt eine Analyse der russischen Landwirtschaft. Darin zeigt er bereits jenen scharfen spöttischen Stil, der ihn stets auszeichnen wird. Uljanow hält in kleinen Petersburger marxistischen Zirkeln Vorträge. Dort gilt der junge Mann mit der Halbglatze trotz seiner 24 Jahre bald als Autorität. 1895 vereinigt er etwa 20 dieser Gruppen zu einem »Kampfbund zur Befreiung der Arbeit«. In einer Handreichung fordert er, einen straff geführten Verband aufzubauen: »Ohne Verstärkung und Entwicklung der revolutionären Disziplin, Organisation und Konspiration kann man nicht gegen die Regierung kämpfen.«
    Im Sommer desselben Jahres besucht er Berlin. Dort fühlt er sich »sehr wohl«, wie er seiner Mutter schreibt, badet täglich in der Spree, besucht eine Aufführung von Gerhart Hauptmanns sozialkritischem Drama »Die Weber« und flaniert durch Museen. Das gutorganisierte moderne Deutschland fasziniert ihn. Im Dezember 1895 in St. Petersburg wegen Vorbereitung der illegalen Zeitung »Sache der Arbeiter« verhaftet, kommt er für 14 Monate ins Untersuchungsgefängnis. Danach wird er für drei Jahre in das südsibirische Dorf Schuschenskoje verbannt. Auch dort schreibt Uljanow weiter politische Analysen und Polemiken und studiert Bücher über soziale Probleme.
    Nach der Verbannung geht er für fünf Jahre ins Ausland. In München, in der Kaiserstraße 53, quartiert er sich illegal bei einem sozialdemokratischen Gastwirt ein, als »Herr Meyer«. Am Weihnachtsfest 1900 wird »Meyer« melancholisch. Das nasskalte Münchner Wetter ist ihm zuwider, er denkt sehnsüchtig »an den echten russischen Winter, an die Schlittenbahn, an die reine Frostluft«. Im Mai 1901 zieht er mit seiner aus Russland angereisten Frau Nadeschda Krupskaja in eine Neubauwohnung. Dort schreibt er mit 31 Jahren ein Buch, dessen Wirkung Russland und die Welt erschüttern wird: »Was tun« mit dem Untertitel »Brennende Fragen unserer Bewegung«.
    Darin entwirft Uljanow unter dem Pseudonym »Lenin« das Konzept einer Kaderpartei. Der Autor warnt vor der »Anbetung der Spontaneität« politischen Handelns und fordert, »alle konspirativen Funktionen« zu konzentrieren »in den Händen einer möglichst geringen Zahl von Berufsrevolutionären«. Begründung: Das politische Bewusstsein könne in die Arbeiterbewegung »nur von außen hineingetragen« werden, durch die Intellektuellen. Die Arbeiterklasse bringe selbst nur ein gewerkschaftliches Bewusstsein hervor. Lenins Maxime: »Gebt uns eine Organisation von Revolutionären, und wir werden Russland aus den Angeln heben.« Um eine solche Truppe aufzubauen, so Lenin, sei eine »gesamtrussische Zeitung« nötig, die Zeitung »Iskra« (Der Funke). Lenin redigiert das Blatt in München und lässt es von Mittelsmännern nach Russland schleusen.
    Innerhalb der 1898 gegründeten Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei formiert Lenin mit seinen Gefährten auf dem Exilparteitag 1903 in London eine organisierte Strömung. Die nennt sich »Bolschewiki« (Mehrheitler). Dabei hat sie nach Auszug einiger Delegierter auf dem Kongress nur bei einer Abstimmung eine knappe Majorität. Aber im Polit-Schach ist er seinen Gegnern damit einen Zug voraus. Die gemäßigtere Fraktion und wirkliche Mehrheit der russischen Sozialdemokraten begnügt sich mit der Bezeichnung »Menschewiki« (Minderheitler).
    Wer sind die Bolschewiki, denen sich in Russland im Untergrund zunächst nur wenige tausend aktive Genossen anschließen? Vor allem sind sie jung. Lenin räumt ein, »dass in unserer Partei die Arbeiterjugend überwiegt, dass wir wenig verheiratete Arbeiter haben«. Der Kinderlose höhnt in einer Polemik gegen die Menschewiki über »kampfmüde Familienväter«. Die brauche man nicht, sonst wären die Marxisten »keine Vorhutpartei, sondern eine Nachhutpartei«. Geführt wird Lenins Vorhut nicht von Arbeitern. Zu den leitenden Funktionären der Bolschewiki gehören Unternehmersöhne wie Grigorij Sinowjew und Semjon Ter-Petrosjan, genannt »Kamo«. Der Armenier kauft mit dem Bankiersohn Meir Wallach-Finkelstein, der sich Litwinow nennt, im Ausland Waffen für die Untergrundkämpfer. Litwinow wird zum

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