Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht
Geheimdienst geschwiegen.
Die Gebeine der Romanows wurden 1998 nach St. Petersburg gebracht und in der Kathedrale der Peter-und-Pauls-Festung beigesetzt. Zwei Jahre später sprach der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Alexij II., Nikolai Romanow nebst Gattin und Kindern heilig, als Märtyrer.
Arzt mit blutigen Händen
Der russische Premierminister
Pjotr Stolypin wollte das Land reformieren,
um die Zarenherrschaft zu retten.
Von Uwe Klußmann
P jotr Stolypin, geboren 1862, stammte aus einer Familie von Großgrundbesitzern. Zar Nikolai II. ernannte ihn im Juli 1906 zum Premierminister. Stolypin bekämpfte die Aufständischen brachial: Nach den revolutionären Unruhen von 1905/06 setzte er Standgerichte ein, die nach Schätzungen mehr als tausend Todesurteile vollstreckten. Zugleich begann der Monarchist Agrarreformen, um eine breite bäuerliche Mittelschicht zu schaffen. Stolypins Strukturreformen, die das Land maßvoll verändern sollten, stießen jedoch auf den Widerstand der Bürokratie.
Am 14. September 1911 wurde er bei einem Opernbesuch in Kiew von einem jungen Sozialrevolutionär durch Revolverschüsse schwer verletzt. Vier Tage später starb er an den Folgen des Attentats. Der Führer der Bolschewiki, Wladimir Lenin, schrieb in einem Nachruf, das Leben des »Oberhenkers Stolypin« sei »eine genaue Widerspiegelung und ein Ausdruck der Lebensbedingungen der Zarenmonarchie«. Seine Politik, die autokratische Herrschaft »in eine bürgerliche Monarchie umzumodeln«, habe ein »Fiasko« erlitten. Denn es zeigten sich bereits »Symptome für das Anwachsen der neuen Revolution«.
Im heutigen Russland wird Stolypin offiziell verehrt. Wladimir Putin nennt ihn einen »echten Patrioten und weisen Politiker«, der sich »nicht scheute, unpopuläre, sogar harte Entscheidungen zu treffen«. Beamten und Ministern verleiht die russische Regierung die »Stolypin-Medaille«. Zum 150. Geburtstag des Politikers im Jahr 2012 will die russische Führung Stolypin vor dem Regierungsgebäude am Moskwa-Fluss ein Denkmal errichten.
Auszüge aus Reden Stolypins
in der Staatsduma
MÄRZ 1907 – Der Staat kann, der Staat muss, wenn er sich in Gefahr befindet, die strengsten, die außerordentlichsten Gesetze annehmen, um sich vor dem Zerfall zu schützen. Das ist, meine Herren, der Zustand der notwendigen Verteidigung; er führt den Staat nicht nur zu verstärkter Repression, nicht nur zur Anwendung verschiedener repressiver Maßnahmen gegenüber verschiedenen Personen und unterschiedlichen Kategorien von Menschen – er führt den Staat zur Unterwerfung aller unter einen Willen, der Willkür eines Menschen, er führt zur Diktatur, die manchmal den Staat aus der Gefahr führt und die Rettung ermöglicht. Es gibt, meine Herren, schicksalhafte Momente im Leben eines Staates, in denen die Staatsräson höher steht als das Recht und in denen man wählen muss zwischen der Ganzheit der Theorie und der Ganzheit des Vaterlandes.
Meine Herren, es liegt in Ihren Händen, Russland zu beruhigen, das natürlich in der Lage ist, das Blut zu unterscheiden, über das jetzt so viel gesprochen wird: das Blut an den Händen der Henker oder das Blut an den Händen gewissenhafter Ärzte, welche die außergewöhnlichsten Maßnahmen ergreifen, mit der einzigen Hoffnung, dem einzigen Glauben – den Schwerkranken zu heilen.
MAI 1907 – Denkt die Regierung, sich auf halbe Schritte und auf eine polizeiliche Sicherung der Ordnung zu beschränken? Ehe man über Fähigkeiten spricht, sollte man sich klar das Ziel vorstellen, und das Ziel der Regierung steht fest: Die Regierung wünscht, das bäuerliche Landeigentum zu erweitern, sie wünscht die Bauernschaft reich, vermögend, denn dort, wo Vermögen ist, ist auch Aufklärung, dort ist auch echte Freiheit. Aber dafür ist es notwendig, den fähigen, arbeitsamen Bauern, das heißt das Salz der russischen Erde, von allem Druck, von allen jetzigen Lebensbedingungen zu befreien.
Die Gegner der Staatlichkeit wollen den Weg des Radikalismus wählen, den Weg der Befreiung von der geschichtlichen Vergangenheit Russlands, der Befreiung von seinen kulturellen Traditionen. Sie brauchen große Unruhen, wir brauchen das Große Russland.
JANUAR 1911 – Wer, meine Herren, braucht in St. Petersburg vor allem sauberes Wasser und Kanalisation? Nicht die Hauseigentümer, die unter mehr oder weniger erträglichen Bedingungen leben, nicht die Minister, nicht Sie und ich, sondern die Armen der Stadt. Ich habe gesehen,
Weitere Kostenlose Bücher