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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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Krampes hat er nach dem Tod seines Vaters dessen fast vollendete Autobiografie herausgebracht. Ist vor anderthalb Jahren erschienen.« Kachelmacher hielt das fragliche Werk in die Kamera, es sah schon etwas abgegriffen aus, war aber immer noch schwarz und edel, vorne drauf saß der alte Krampe, intelligent blickend. Im Dunkeln hieß es.
    Krampe junior nahm seine Zigaretten. Er klopfte auf das Päckchen, exakt ein Glimmstängel schaute heraus, den pickte er mit spitzen Fingern auf. »Eins stimmt schon«, gestand er mit schmalem Lächeln. »Das Italophile. Papa liebte die italienische Adria. Urlaube in Rimini. Die Fahrt über den Brenner, Zelten am Strand, Spaghetti und Chianti, Tanzen unter Lichterketten, das ganze Programm. Er entsprach dem Zeitgeist. Vielleicht prägte er ihn auch.« Er paffte, es hatte etwas Verschämtes, obwohl der Typ sonst kein bisschen schüchtern wirkte. »Alle rannten ihm nach an die Strände der Emilia-Romagna, und alle phantasierten mit ihm von Spionen im Osten. Aber er ist nie östlicher als Westberlin gekommen. Wie die meisten seiner Leser.«
    Es gab Geraune im Publikum. Dieser Ton kam nicht allzu gut an. Blasiert tat Krampe, als merke er das nicht, aber die eifrige Eleganz, mit der er sein silbernes Feuerzeug anknipste, verriet Anspannung. Seinen rauchigen Atem blies er Richtung Oberhuber. »Der Held meines Vaters, Johnny Montes, ist eine Kunstfigur. Die Montes-Romane sind nur Unterhaltung.« Er blickte die blonde Frau so ernst an, dass es fast unverschämt war.
    Oberhuber jedoch vergab ihm. Ihre Miene war freundlich, überlegen, als hätte sie diesen Spott erwartet. »Tun Sie Ihrrem Vater da net Unrrecht?«, sprach sie. »Und auch all seinen Lesern und Leserrinnen? Verachten Sie ihn vielleicht so ein bisschen?«
    Krampes Hand mit der Zigarette verharrte kurz vor seinem Mund. »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Na, nur Unterhaltung – sagen Sie als Gerrmanist. Des klingt net sehr frreundlich. Und des stimmt auch net. Ihr Vater war ein Held.«
    »Ich schätze das Werk meines Vaters sehr. Mit der Biografie habe ich sogar ein Buch darüber veröffentlicht. Und davon abgesehen finde ich es ehrenhafter, Unterhaltung zu machen, als ein Held zu sein. Unterhaltung dient wenigstens einem vernünftigen Zweck. Helden dagegen sind fast immer Monster.«
    Das Publikum war anderer Meinung. Man sah es an den zweifelnden Mienen.
    »Nein«, schloss sich Oberhuber an, ihr Lächeln einem leichten Schock opfernd. »Sagen Sie des fei net. Nennen Sie net Ihrren lieben Vater ein Monster!«
    Krampe hob die Achseln und inhalierte Rauch.
    »Frau Oberhuber«, mischte sich nun Kachelmacher ein, »sind Sie sich denn hundertprozentig sicher, dass Sie von Georg Krampe, dem Autor, sprechen?«
    »Ja.«
    »Er hat …«, Kachelmacher nahm kurz einen Stapel Karteikarten zur Hand, »im Ernst diese Vierjährige aus dem Tyrrhenischen Meer gezogen? Und ist dann mit ihr nach Rumänien gereist? Ganz in echd?« Er imitierte ihren fränkischen Dialekt. Die Leute kicherten angespannt.
    »Ja.« Energischer konnte höchstens noch ein öffentliches Heiratsversprechen klingen.
    »Haben Sie auch einen Beweis?«
     
    Ein Beweis. Gregor begann sich zu langweilen. Oberhuber zu widerlegen wäre das Leichteste, aber völlig nutzlos, denn natürlich hatte die Frau ihr Ziel bereits erreicht, es gab immer Willige, die wahllos glaubten, was über die Mattscheibe flimmerte, selbst wenn es sich um amerikanische Kriegsberichterstattung oder spontane Selbstverbiegung von Kaffeelöffeln handelte. Dass der Name genannt wurde, allein daraufkam es an. Dass es unterhaltsam war. Dass es irgendeine Verbindung gab zu dem, was man anschließend verkaufen wollte. Wenn Gregor recht sah, lag auch vor Oberhuber ein Buch, das Kachelmacher demnächst hochhalten würde. Und sicher nahm sie Klienten, oder wie immer man das in ihrem Gewerbe nannte. Gregors Groll über all das hielt sich jedoch in Grenzen, was er als erstaunlich und angenehm empfand. Er ärgerte sich nicht, jedenfalls nicht übermäßig. Im Gegenteil, fast amüsierte ihn die absurde Situation, zumal es nicht sein Name oder sein Held waren, die hier ausgeschlachtet wurden. Für Johnny Montes würde sich Gregor nicht prügeln, im Leben nicht. Da waren sie wirklich an den Falschen geraten, an den einzigen Montes-Hasser im ganzen Land. Sicher, der Typ war ein Mythos, ein deutscher Bond, ein Winnetou, Allgemeingut, aber für Gregor gerade darum stets Konkurrent und Ärgernis. Nicht, dass er das Werk seines

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