Die Herzensdiebin
doch?
Schließlich war die Geschichte mit der Heirat auch erlogen. Wenn er ihr die Amnesie nicht abnahm, dann wusste er auch, dass ihr klar war, dass sie nicht verheiratet waren.
Vermutlich versuchte er nur, ihr ein Geständnis abzuringen. Aber irgendwie steckte noch mehr dahinter. Das lag an seinem ganzen Verhalten. Er wollte sie bei sich haben. Aber warum nur? Was hatte er vor?
Besorgt zog sie ihren Sweater aus. An guten Tagen hatte sie Körbchengröße A, und dieser Sport-BH drückte alles flach. Sie hatte auch hinten nicht viel in der Hose, und ihre schwarzen Leggins, die sie bei ihren Yogaübungen trug, schmiegten sich eng an ihren Körper.
Sie lehnte am Waschbecken und sah in den Spiegel.
Betrachtete ihr Gesicht, das im Augenblick freudlos und unattraktiv aussah. Blass und verschwitzt. Und besorgt. Richtig besorgt.
Worauf wollte er also hinaus? Was wollte er? Wie mochte sein Plan aussehen — und warum? Warum machte er das alles?
Sie zog die Schublade auf und fand alle Seifen und Lotionen, die eine Frau sich wünschte, alle in Probefläschchen. Sie strich ihr Haar zurück und wusch sich das Gesicht, wobei sie das Pflaster mied. Dann schlüpfte sie aus den Schuhen, zog die Hose und die Socken aus und warf alles zusammen auf den Boden. Sie zog den flauschigen weißen Bademantel über. Wie alle Bademäntel in Hotels war auch dieser zu groß. Der Saum strich ihr über die Waden, und sie musste die Ärmel hochrollen, um ihre Hände sehen zu können. Sie machte noch einen Knoten in den Gürtel und öffnete die Tür.
Das Schlafzimmer war leer.
Aber er konnte nicht weit sein. Schließlich hatte er ihr versprochen, zu kommen, falls sie Hilfe brauchte. Und sie wusste, wann ein Mann sein Wort hielt.
Sie kletterte in das hohe Himmelbett und stieß ein wohliges Seufzen aus, als die Matratze, das Kissen und die kühlen, weichen Laken sie umschlossen. Sie zog die Steppdecke hoch; sie war leicht und doch üppig. Gut drei Meter über ihr erstrahlte die Decke in demselben warmen Goldton wie die Wände, und die dekorative Zierleiste imitierte die Farbgebung von Kirschholz.
Die Künstlerin in ihr bewunderte die Kunstfertigkeit. Die erschöpfte Frau aber wollte nichts lieber, als die Augen schließen und endlich schlafen.
Außer ...
Wollte dieser Typ sie wirklich hier haben? Eine eigenartige Vorstellung — aber warum hatte er ihr so eine Riesenlüge aufgetischt? Warum sagte er, sie sei seine Frau, und gab sich so viel Mühe, sie hier im ... wie hatte er es noch gleich genannt? Das Secret Garden Hotel?
Eines wusste sie ganz genau: Die Gründe, die ihn veranlassten, sie hier festzuhalten, konnten nicht gut sein.
Meadow war eingeschlafen, und ihre schönen blauen Augen, die Augen, die sie verraten hatten, waren geschlossen. Ihr kupferfarbenes Haar umgab ihr Gesicht wie ein glänzender Fächer auf dem Kissen, und die unregelmäßigen Blitze der Gewitternacht fingen sich in jeder einzelnen Strähne. Ihre Haut hatte die Farbe eines Pfirsichs und fühlte sich — Devlin strich ihr über die Wange — genauso zart an. Ihre Unterlippe war rosig und leicht geschwollen — jedes Mal, wenn sie ihre dumme Lüge vorbrachte, biss sie sich auf die zarte Lippe.
Das Pflaster der Ärztin bildete einen großen weißen Fleck auf ihrer Stirn, und das — zusammen mit den dunklen Schatten unter ihren Augen — verlieh ihr eine zerbrechliche Ausstrahlung.
Er vermutete, dass das nur ein Trugbild war.
Wusste er doch schon so viel über sie — und so wenig.
Ihr Name war Meadow. Aber wer sie wirklich war, wusste er nicht genau.
Sie war eine Diebin, die aus einem ganz bestimmten Grund gekommen war. Aber diesen Grund kannte er noch nicht.
Wenn es um Kunst ging, hatte sie ein geschultes Auge. Aber er wusste nicht, was sie beruflich machte.
Und doch wusste er mehr, als sie sich überhaupt vorstellen konnte. Die Menschen im Süden hatten ein erbarmungslos gutes Gedächtnis, insbesondere wenn es sich um einen Skandal handelte. Und Meadows Großmutter hatte einst für den größten Skandal in der Gegend gesorgt. In Amelia Shores redeten die Leute auch heute noch von Isabelle und ihren Affären oder erinnerten sich, wie gründlich sie den stolzen Bradley Benjamin gedemütigt hatte.
Devlin hatte Isabelle nie kennengelernt, aber er mochte sie.
Über Jahre, als er noch jung war, hatte Bradley Benjamin Devlin das Leben zur Hölle gemacht. Dafür gab es unzählige Gründe — dahinter steckten zunächst zweihundertundfünfzig Jahre Rivalität der
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