Die Herzensdiebin
duschen.«
Er öffnete den Mund.
»Allein.«
Er schloss den Mund wieder.
»Und wo sind jetzt diese Strandkleider mit Blumenmustern?« Sie musste in dem Haus weiter nach dem Gemälde suchen, und das musste schnell gehen.
»Die sind noch nicht hier. Ich werde mal sehen, was ich für dich unten im Geschenkartikelladen finde.« Schon strebte er der Tür zu.
»Jeans. Und ein T-Shirt«, rief sie ihm nach.
»Heute werden es neunundzwanzig Grad.«
»Dann eben kurze Hosen und ein T-Shirt.«
Er hielt inne und ließ seinen kühlen Blick über ihren Körper gleiten.
»Was ist?« Sie breitete die Hände aus.
»Etwas größer als einen Meter sechzig, vierundsechzig Kilo, Körbchengröße A, Unterhosen Größe sechs, Schuhgröße siebenunddreißig.« Dann ging er hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Er fragte nicht einmal, ob er mit diesen Zahlen richtig lag.
» Drei undsechzig Kilo! Was gibt es daran auszusetzen?« Ein Mann mit einer solch scharfen Beobachtungsgabe wäre vielleicht in der Lage, jeden ihrer Gedanken schon im Voraus zu erahnen — und sie war auch noch stolz darauf, dass sie wie ein offenes Buch war.
Sie steckte wirklich in Schwierigkeiten.
Sie musste das Gemälde finden und von hier verschwinden. Sie wollte unbedingt zurück zu ihren Eltern, und zwar mit so viel Geld, um die teure Behandlung ihrer Mutter bezahlen zu können ... und jetzt hatte Meadow noch einen zweiten Grund, sich zu beeilen.
Sie musste weg von Devlin — bevor er sie weiter belagerte und all ihre ausgeklügelten Diebstahlspläne zunichte machte.
6
Meadow eilte zu dem Hoteltelefon, das an der Wand hing.
Hastig wählte sie und legte dann den Hörer wieder auf. Würde Mr. Ich-habe-überall-Überwachung mitkriegen, dass sie das Telefon benutzte?
Wahrscheinlich.
Aber sie war sich sicher, dass es illegal war, die Telefonleitung in einem Hotelzimmer anzuzapfen. Daher könnte sie ungestört Privatgespräche führen.
Außerdem ... hatte sie eine Wahl?
Nein.
Er hatte bestimmt keine Zeit, dieses Telefon anzuzapfen.
Und sie litt mittlerweile schon an Verfolgungswahn.
Wieder gab sie die Nummer ein und rief die einzige Person an, die ihr immer zuhörte, wenn Meadow wütend oder enttäuscht war, die sie immer ermutigte, nach einer Lösung zu suchen, ihr bei der Ausarbeitung der Pläne half und ihr versprochen hatte, in Meadows Abwesenheit in Blythe zu bleiben.
Als Meadow vierzehn Jahre alt war, hatte Judith. Smith eines Tages vor der Tür ihres Elternhauses gestanden und war begierig gewesen, möglichst alles über Kunst und Malerei zu lernen. Noch vor Abschluss ihrer Ausbildung war Judith Teil der Familie geworden. Sie war über Monate geblieben und hatte mittelmäßige Bilder gemalt, aber als ihre Kunst abgelehnt wurde, war sie ausgezogen.
Sharon hatte ihre Tochter aufgeklärt, dass die einzige Person, die einem Künstler Versagen nachsagen durfte, der Künstler selbst sei. Judith habe von Beginn an den schnellen Erfolg gesucht, und diese Haltung habe ihr Talent beeinträchtigt, ein Talent, das Judith nicht lange genug habe reifen lassen.
Somit war sie fort und hatte andere Berufswege eingeschlagen — sie sagte zwar nicht, um was es sich dabei handelte, aber offenbar hatte sie Geld, denn sie kam und ging, wie es ihr gefiel. Sie hatte Meadow geholfen, in das Kunstprogramm in Stanford zu kommen, und vorgeschlagen, sie solle im Ausland studieren. Ihre Mutter, ihr Vater und ihre Großmutter hatten Meadow in ihrem künstlerischen Werdegang unterstützt, aber als Meadow das Zuhause in den Bergen verlassen hatte und in die weite Welt hinausgegangen war, war Judith die Mentorin im wirklichen Leben geworden.
Jetzt hielt Meadow den Atem an und lauschte auf das erste Tuten in der Leitung.
Judith war direkt am Apparat, und ihre leicht näselnde Stimme überschlug sich beinahe vor Schreck. »Wer ist da?«
»Ich bin's.« Meadow beugte sich über das Telefon und sprach auffallend leise.
»Gott sei Dank. Ich habe mir schon Sorgen gemacht.« Judith holte hörbar Luft. »Warum gehst du nicht ans Handy? Was ist passiert? Wo bist du?«
Meadow antwortete der Reihe nach auf die Fragen. »Das Handy hat hier keinen Empfang. Wurde beim Einbruch erwischt. In Waldemar House.«
»Oh mein Gott. Geht es dir gut? Hast du das Bild gefunden? Bist du verletzt?«
»Ein bisschen. Nicht weiter tragisch. Aber das Bild hängt nicht an der Wand über dem Kamin.«
»Das habe ich dir gesagt. Leute hängen manchmal ihre Bilder um.«
Judith klang so ruhig, dass
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