Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
Seidentapete ihres privaten Empfangszimmers geschleudert hatte; ihre Hüfte und ihr Ellbogen pochten an den Stellen, wo sie auf den Marmorfußboden aufgeschlagen war.
“Habe ich innere Verletzungen?”
“Nein, Madame.” Madame Annette legte das Handtuch beiseite und trat näher, bis sie fast direkt vor Camille stand. Ruhig fügte sie hinzu: “Eines Tages wird er Euch noch umbringen.”
Sylvie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Camille hob die Hand und bedeutete ihr zu schweigen. “Ich könnte schwanger werden. Noch bin ich nicht zu alt.”
Madame Annette verschränkte die Arme vor der Brust. “Es fällt mir schwer, mich daran zu erinnern, dass Ihr eine Dame von Rang seid, Madame. Denn in dieser Sache handelt Ihr mit Sicherheit ebenso unklug wie jede andere Frau, die ich kenne.”
Camille hörte, wie Sylvie erschrocken den Atem anhielt, was einer gewissen Ironie nicht entbehrte, denn schließlich hatte Sylvie auch keine Scheu, ihrer Herrin die Meinung zu sagen. “Wenn ich dem Herzog einen Erben schenke, hat er keinen Grund mehr, sich nach einer anderen Herzogin umzusehen.”
“Der Herzog hat keine Bastarde, nicht einen einzigen, was keinesfalls daran liegt, dass er es nicht versucht hätte. Ich an Eurer Stelle würde mir einen passenden Mann suchen und sein Kind als das des Herzogs ausgeben.”
Noch nie hatte Madame Annette so kühn mit ihr gesprochen. Camille schüttelte ablehnend den Kopf. Sie hatte Michel geheiratet, einen nachgeborenen Sohn, der den Herzogstitel erhalten hatte, indem er ihr Gemahl wurde, und der seitdem nicht nur über das Herzogtum, sondern auch über sie Macht hatte. Sie hätte sich dem Befehl ihres Vaters, Michel zu heiraten, widersetzen und fliehen können, doch dummerweise hatte sie es nicht getan, da sie sich verantwortlich für das Herzogtum fühlte. Und nachdem sie ihr Jawort gegeben hatte, trug sie nicht nur für die Einwohner des Herzogtums Verantwortung, sondern auch für ihre Ehe. Seit über zwanzig Jahren bezahlte sie nun für diesen Fehler.
Ein paar Schläge konnten ihre Entschlossenheit, für ihre Ideale einzustehen, nicht schmälern. Viel schlimmer war Graf Alphonses Tod. Der Graf war ermordet worden, weil er versucht hatte, ihr zu helfen. Dabei hatte er nicht einmal gewusst, dass die Bitte, die er Graf Maxime zutragen sollte, einen Verrat an seinem Herzog bedeutete. Er war kaum älter als Annette oder Sylvie gewesen. Sylvie konnte durchaus die Nächste sein, die es traf.
“Madame!”
Camille, der beim Aufstehen schwindlig geworden war, blinzelte, während das Zimmer sich langsamer drehte und schließlich zur Ruhe kam. Sylvie hielt sie am Arm fest und grub ihre Finger schmerzhaft in Camilles geschundene Muskeln. Madame Annette hatte sich Camilles anderen Arm um die Schultern gelegte, und gemeinsam geleiteten die beiden Frauen sie zu ihrem Bett.
Die Unterseite des Betthimmels war, wie die Laken und Decken, in Blau und Gold gehalten. Darauf waren Applikationen angebracht, welche Männer zeigten, die Äcker pflügten und Getreide säten, eine sehr durchsichtige Allegorie, um die Fruchtbarkeit der Paare anzuregen, die dieses Bett teilten. Allerdings hatte Michel sie niemals hier genommen, stets wurde sie in seine Gemächer gebracht. In letzter Zeit ließ er sie bevorzugt an Orte beordern, von denen er glaubte, sie würde sich dort unwohl fühlen und seine Annäherungsversuche abwehren.
“Er wird Euch umbringen”, wiederholte Annette ohne jeden Ausdruck in der Stimme, gerade so als stellte sie fest, dass der Himmel blau war. Sie legte ihren Handrücken an Camilles Stirn, dann an ihre Wange. Camille schloss die Augen. Allein diese zarte Berührung erschütterte sie fast zu Tränen. “Hol mir mehr Decken, Sylvie.”
Übelkeit stieg in ihr auf, und sie begann zu zittern. “Ich bin bloß hungrig”, behauptete Camille, auch um sich selbst zu beruhigen. “Während Sylvie unterwegs war, um nach dir zu suchen, habe ich nichts gegessen.”
Annette legte ein Kissen unter Camilles Füße. Wieder sagte sie: “Er wird Euch umbringen. Und Ihr wisst, was dann passieren wird. Er wird dieses Herzogtum in den Ruin treiben und sich dann das nächste vornehmen, wie es schon Euer Vater getan hat.”
Immer noch war Camille nicht in der Lage, laut auszusprechen, dass sie versagt und Michel längst gewonnen hatte, obwohl es die Wahrheit war. Stattdessen befahl sie: “Du musst den Palast verlassen, bevor man dich in meinen Räumen findet.”
“Keine Angst, Madame. Im
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