Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
Heimritt fragte sich Waldur, ob er Chlodwig nicht doch unzulänglich beraten habe. Zumindest, überlegte er, hätte ich ihm nahelegen sollen, dass, wenn schon einer den Glauben wechseln wolle, dann doch besser Chrodegilde, denn nur das werde dem fränkischen Volk gerecht. So jedenfalls würde dieses Problem jedes andere Regentenpaar lösen - an erster Stelle das Wohl des Volkes. Allerdings hätte ich mit einer derartigen Äußerung Chlodwigs wunden Punkt, kein ausgebildeter Regent zu sein, berührt und damit einen Hysterieausbruch bei ihm riskiert, oder Chlodwig hätte sich wieder in seine versponnene Götter- und Merowechwelt geflüchtet. Ja, Chlodwig ist von Jugend an ein komplizierter Mensch gewesen, was sich sogar kontinuierlich gesteigert hat.
Nach weiterem Nachdenken erinnerte sich Waldur an Chlodwigs seinerzeitigen Verzicht auf Uta und seinen damals noch ungeborenen Sohn, wodurch er seinen Freund wieder in einem anderen Licht sah. Angesichts dessen warf er sich vor - wie komme ich nur dazu, Chlodwig zu unterstellen, er dächte nicht in erster Linie an sein Volk, das hat er schließlich immer getan, ganz vorbildlich sogar.
Doch darin täuschte sich Waldur. Chlodwig hatte, so gut er es vermochte, nur anfangs vorrangig an sein Volk gedacht, nur bis zur Frankenvereinigung - schön, großzügig betrachtet noch bis zur Vertreibung der Römer. Danach aber hatte er sich selbst immer mehr bedeutet. Schließlich war sein Ehrgeiz, verbunden mit seinem Geltungsdrang, wieder erwacht und wurde jetzt noch stimuliert von Chrodegilde. Das erkannte Waldur nicht, wiewohl doch gerade er es hätte erkennen müssen. Aber er hatte Chlodwig noch nie so sehen wollen, wie er in Wahrheit war, jedenfalls nicht in allem, und das war ein fataler Fehler.
Z um Herbstbeginn, dem ersten Tag des Scheidingmondes, wurde in der menschenvollen Basilika zu Köln die glanzvolle Königstrauung zelebriert. Die Oberhäupter aller bedeutenden keltischen Regentenhäuser oder deren Vertreter waren zugegen, wobei die meisten jedoch distanzierte Höflichkeit wahrten. Waldur und Siglind hatten den ehrenvollsten Platz in der vordersten Reihe inne.
Am kerzenbeleuchteten Altar kniete vor drei Arianerpriestern das Brautpaar. Chrodegilde, im weißen Seidenkleid, trug ein Golddiadem auf dem Haupt, ein Hinweis, dass sie mit dieser Heirat nicht nur Chlodwigs Gemahlin, sondern gleichsam seine Mitregentin werde - die Frankenkönigin. Und Chlodwig, in seiner festlichen Merowingerrobe, wurde durch eine Zusatzzeremonie bereits heute Arianer.
Ein arianischer Merowinger, mit diesem Paradoxum konnte er allerdings keinen der hiesigen Gäste überzeugen, nicht mal Waldur so recht, wenngleich der sich bemühte, die Entscheidung seines Freundes zu tolerieren. Die anderen hingegen sorgten sich um die Zukunft der Franken und Pariser. Diese Sorge war umso berechtigter, da Chlodwig nicht hatte geheim halten können, dass sich fortan etliche Arianerpriester im Frankenreich aufhalten werden, um das Volk und vor allem seine Fürstinnen und Fürsten zu ihrem Glauben zu bekehren.
Chlodwig war indessen nichts als glücklich. Das sah ihm auch jeder an, als er nach vollzogener Trauung mit seiner Chrodegilde am Arm und seligem Ausdruck im Antlitz an den Gästen vorbei die Basilika hinaus schritt.
Diese Seligkeit verklärte auch bei den anschließenden Festlichkeiten im Kölner Castel noch seine Züge. Chlodwig war vor Glück so abgetreten, dass er nicht mehr ansprechbar war. Selbst Waldur erhielt, sooft er es versuchte, nur völlig danebengeratene Antworten von ihm, bis er schließlich aufgab.
Nach der Hochzeit finde er wieder zu sich, meinte Waldur lächelnd zu Siglind, als er sich nach den Feierlichkeiten spätabends mit ihr zum Gästehaus begab.
„Zu sich“, spottete Siglind, „wie denn - als arianischer Merowinger?“
„Nicht so herbe Töne“, bat er sie, „nicht auf seiner Hochzeit.“
Das sah sie ein, und, um die Stimmung nicht zu trüben, erzählte sie ihm, dass Chrodegilde ihr glücklich anvertraut habe, schwanger zu sein, bereits im fünften Mond.
Das allerdings erklärte Waldur alles, „daher seine Entrücktheit“, lachte er, „er führt sich ja auf, als trägt er selbst das Stramplerchen aus.“
Dann blieb er stehen, umfasste mit beiden Händen zärtlich Siglinds schönen Perlmuttkopf und wollte sich vergewissern: „Mein Herzblatt, und du weißt genau, dass auch wir uns auf ein Stramplerchen freuen können?“
„Ganz genau“, lächelte sie glücklich zu ihm zurück,
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