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Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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Ich hinter ihnen her. Nur Vater hält es weiterhin auf dem Steg, er kann sein Auge nicht von dem herrlichsten Produkt seiner Werft wenden.
„Gib doch Acht!“, fährt mich in der Halle ein Handwerker an. Mir ist eine Planke ausgerutscht, ihm fast auf den Fuß geknallt. Ich bekomme meine Gedanken nicht zusammen, meine Hände zittern sogar, wenn das nur keinem auffällt. Ist Frodi ebenso aufgeregt? Anzumerken ist ihm nichts, er pfeift und scherzt, wie immer bei der Arbeit. Ich will zu ihm, doch in dem Moment stürzt Vater zur Tür herein.
„Alle Mann Herhören!“, ruft er durch die Halle. „Eine Katastrophe - der Himmel beginnt zu wüten, das Schiff wendet, sie ziehen bereits die Segel ein!“
Mir bleibt das Herz fast stehen, und Vater ordnet jetzt lauthals an: „Einer alarmiert sofort die Fischer, wir brauchen jede helfende Hand. Los, die übrigen fix die Wasserkluften an, und dann zum Hafen, alle Rettungsboote klarmachen!“
Ich strecke meinen Kopf aus dem Fenster - der Himmel ist schwefelgelb, und im Südosten türmen sich schwarze Wolkenberge auf, rasend schnell. Der Zauber? Schon jetzt? Aber der sollte doch . . Nicht nachdenken, rasch die Wetterkleidung an. Vor der Kleiderkammer hält mich Frodi am Arm zurück und redet mir leise zu: „Mut jetzt, Suava.“
„Das kann doch noch nicht der Zauber sein.“
„Doch, Suava.“
„Aber der soll doch nur Isolf treffen, jetzt sind ja alle gefährdet!“
„Wir müssen den anderen vom Schiff helfen.“
„Allen, Frodi, allen, auch Isolf“, beschwöre ich ihn in einem plötzlichen Sinneswandel, worauf er allerdings nicht eingeht.
Endlich auch die lederne Wasserkluft an, eile ich vor die Halle. Der Himmel ist inzwischen fast schwarz. Ich renne zum Strand, wo schon all meine Kollegen und etliche Fischer versammelt sind. Sie binden die Rettungsboote los, und die ersten rudern ab, jeweils zu zweit in einem der Sechsmannboote. Darunter auch Frodi. Jetzt zischelt ein Blitz durch die schwarzen Wolken, gleich gefolgt von einem Donnerknall, und dann prasselt ein Regen vom Himmel, als öffne ein Wetter-Dämon gehässig über uns sein Riesenmaul.
„Hierher, Suava!“, ruft Vater mich zu sich, und während er in ein Boot klettert, trägt er mir auf: „Du bleibst mit Kari an diesem Steg, und ihr zieht die Boote zurecht!“
„Ja, Vater.“
Darauf rudert er ab.
Zusammen mit Kari halte ich gleich drauf das nächste wild schaukelnde Boot zurecht, in das sofort zwei Männer klettern. Noch weitere Boote werden bestiegen und kämpfen sich anschließend hinaus in das wütige Meer. Gekonnt und todesmutig, wie sich die Ruderer gegen den Sturmregen und die aufpeitschenden Wellen näher und näher zum Schiff hinarbeiten. Inzwischen ist der Strand voller Menschen, die gespannt den Ruderern, soweit sie in dem Getose erkennbar sind, nachblicken.
‚Thor, hilf ihnen’, rufe ich innerlich den Wettergott an, ‚schleudere deinen Blitzhammer gegen die Ungeheuer, stopp das Unwetter, bitte!. - Ihr Elementarwesen am Bug, tut, was ich euch eingegeben habe, trotzt den Gewalten!’
Ein Fischer neben mir fragt mich, wie viele an Bord seien.
„Fast vierzig“, sage ich ihm und flehe verzweifelt weiter: ‚Thor, hilf diesen Menschen, hilf ihnen!’
Endlich erkennen wir im Schein der Blitze das erste Boot am Schiff. Sofort seilen sich mehrere Leute von der hohen Bordkante aus hinab zu ihren Lebensrettern.
Während das besetzte Boot wieder zurückrudert, treffen bereits die nächsten ein, und wir beobachten weiterhin, soweit erkennbar, die herunterkletternden Menschen und die wieder abrudernden Boote. Bis niemand mehr zu sehen ist.
Ob alle gerettet sind?
Bange Zeit vergeht, bis sich das erste Boot mit hartem Ruderschlag dem Ufer nähert. Kari und ich kämpfen uns ihm durch die aufpeitschenden Wellen entgegen und bugsieren es dann an den Steg.
Das nächste Boot trifft ein, und wieder lenken wir es sicher durch die Felssteine. Währenddessen klammern sich Männer an uns, nach Luft ringende, haltsuchende Männer. Und immer wieder lenken wir ein neues Boot zum Steg.
So entreißen wir eins nach dem anderen der tosenden See.
„Alle sind an Land!“, ertönt mit einem Mal ein Ruf, „alle sind gerettet!“
Ich traue dieser Verkündung nicht, obschon sie mehrmals wiederholt wird, ich verharre weiterhin zwischen den Felssteinen im Wasser und spähe hinaus in die See.
Bis eine starke Hand die meine umschließt, Frodi will mich an Land holen: „Jetzt komm doch, Suava, der Spuk ist vorbei.“
Er soll vorbei sein?

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