Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
am Ende gebratenes Hühnerklein. Anschließend baute er rings um die Platte vier Tontöpfchen mit delikaten Soßen auf, und am Schluss platzierte er für die Bratäpfel, doch vornehmlich für den Süßschnabel Waldur, einen breithalsigen Honigtopf zwischen die beiden Teller. Nach alledem bat er seinen Freund mit stolzem Blick und einer einladenden Handbewegung: „Voil�, mon ami, und jetzt nimm Platz!“
Bald war es mollig warm in der Holzhütte, die Bratäpfel dufteten, und die Junker lümmelten sich auf den mehrlagigen Fellen vor dem Schlemmertisch.
„Die rote Soße gehört aufs Hühnerklein“, belehrte Chlodwig Waldur mit charmantem Lächeln und erkundigte sich dann: „Schmeckt’s dir?“
„Köstlich.“
„Ehrlich, ihr alemannischen Kraut- und Rübenanbeter könntet euch da ‘ne Menge von uns abschauen. Aber wenigstens deinem Gaumen werde ich etwas Bildung beibringen.“
Über den Flammen baumelte der Kaminkessel, aus dessen Deckellöchern es zu dampfen und leise zu singen begann, und dem auf einmal ein verdächtiger Duft entströmte.
„Schenk ein“, forderte Chlodwig Waldur auf und reichte ihm seinen Becher hin.
Der war mit zwei Schritten am Kamin, und als er den Kesseldeckel anhob, erkannte er: „Du hast da Branntwein zugekippt. Bist doch ein Schlitzohr. Und wie viel hast du mit davon?“
Darauf deutete Chlodwig zu einem in der Ecke liegendem Holzfässchen: „Genug für eine Woche Vollrausch.“
Eine Stunde später war der Esstisch abgeräumt und nach einer weiteren Stunde der Kessel leer getrunken. Sodann lagen die beiden Zecher, noch voll angezogen, ausgestreckt auf ihren Fellen, jeder mit seinem eigenen Schnarchen beschäftigt.
A nderntags konnten sie, elendig verkatert, natürlich nicht zur Jagd aufbrechen. Aber Chlodwig hatte ja ohnehin nur viel zu dünne Kleidung mit, und so verbrachten sie den Tag mit Essenbrutzeln, Schmausen und Würfelspielen in der molligen Hütte. Am Abend dämpfelte dann wieder der Kessel über den Flammen, und die Freunde hockten vor dem Kamin. Mit jedem Becher, den sie zu sich nahmen wurden Ihre Augen glasiger und die Zungen schwerer, weshalb Chlodwig in absolut nicht edlem Fränkisch lallte: „Wir sinn Versager, sinn wir. Nischmal als Jäger taugn wir was. Isch frag misch, wie wir mal unsre Familien ernährn wolln.“
„Morgen gehn wir ran. Jeder ‘n fettes Wildschwein“, schlug Waldur, allerdings ohne Überzeugung, vor, wogegen Chlodwig auch sogleich protestierte:
„Ohne misch. Isch muss misch erst erholn, verstehste das? Von der Schinderei die letzn Wochn erholn. Oui!“
Waldur verstand das: „Klar. Und wenn dir die Woch hier net reicht, dann bleibn wir einfach länger.“
Chlodwig nickte erst, widersprach dann allerdings: „Non, geht nisch. Dann lässt misch eure Druidin bestimmt nisch die Sonn . . , die, die Sonnewänn bei eusch feiern.“
„Du willst die Sonnwenne bei uns . . , ach ja, da will ja die - dei Thüringrin nach Frowang kommen.“
„Uta heißt sie.“
„Ja, die Uta“, wiederholte Waldur und staunte dann: „Hätt ich nie geglaubt von dir - ‘ne soo lange Liebe diesmal!“
Chlodwigs Blick wurde noch suseliger, als er Waldur darauf gestand: „Isch träum Tag un Nacht von Uta, wenn isch dir sage, Tag un Nacht.“
A m nächsten Tag das Gleiche - abermals verkatert, wurde wieder nichts aus der Jagd.
Dann aber, im folgenden Morgengrau, schreckte Waldur durch einen Warnruf seines Hengstes aus dem Schlaf. ‚Was ist, Scalla?’, fragte er zurück und empfing die Antwort:
‚Eine Bestie!’
‚Bleib ruhig, ich bin sofort bei dir.’
Hellwach geworden, schlupfte Waldur flugs in seine Beinlinge und in die Wollweste. Davon wachte auch Chlodwig auf und erkundigte sich: „Wo wills ‘n hin?“
„Raus, da ist ein Raubtier.“
„Halt“, rief Chlodwig erschreckt, „doch nicht ohne Waffe!“
Doch der waghalsige Waldur war bereits draußen und pirschte die Hüttenwand entlang zum Stall. Dort fragte er Scalla: ‚Wo steckt das Biest?’
‚Ein Sprung vor der Tür.’
‚Keine Angst’, beruhigte Waldur ihn, ‚dem geb ich’s’, und schlich hinaus.
Draußen blickte er sich um, konnte jedoch nichts und niemanden entdecken.
‚Zeig dich - wer immer du bist’, lockte er das Tier, worauf ein warnendes Knurren ertönte.
Waldur duckte sich, denn an dem Knurren hatte er erkannt, dass er es mit einem Luchs, wahrscheinlich angelockt von den Bratenresten, zu tun hatte. Jetzt hatte es die Großkatze allerdings auf ihn abgesehen. Waldur war hochkonzentriert,
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