Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
abgemähten Wiese, um die goldene Scheidingsonne zu genießen. Nicht frei von Abschiedsweh, denn nur allzu deutlich ist jetzt das vergehende Leben zu beobachten.
Mancher mag bei solcher Betrachtung den ewig kreisenden Zyklus der Jahreszeiten, ja, den Zyklus unserer Schöpfung begreifen - das Erwachen, sodann das Erhalten und schließlich das Vergehen, dem die Ruhepause folgt, die allerdings in wundersamer Weise bereits die Keime für ein Neuerwachen in sich birgt.“
Ekkehart erhob sich, ging ein paar Schritte auf und ab und erklärte dann: „Ich habe absichtlich nur von den großen Festen gesprochen und auch nur von deren wesentlicher Bedeutung, da ich euch so besser den Jahresverlauf der Naturgeschehen verdeutlichen konnte. Wegen dieser Kurzfassung sind gewiss Fragen bei euch aufgetaucht. Bitte Leute, stellt sie mir.“
Er wartete - aber alle schwiegen. Deshalb trat er zu Chlodwig, der flugs in eine andere Richtung sah, und stieß ihm mit dem Fuß gegen seinen Lederstiefel: „Was ist, junger Prinz, bist doch sonst immer der Erste?“
Chlodwig zuckte nur mit den Achseln. Statt ihm fragte dann von der anderen Seite her Albrecht, ein sehr Naturbegeisterter: „Eins verstehe ich nicht, Herr Ekkehart, wenn doch im Winter alle Pflanzengeister schlafen, wie kommt es dann, dass ich da trotzdem schon einige durch den Wald und sogar hier durch den Schlosspark habe streichen sehen?“
„Das kann dann nur ein Pan oder eine Fee gewesen sein, die Hüter der Wälder und größerer Parks, die nämlich sind das ganze Jahr über tätig. Oder es waren Kobolde.“
„Ich habe noch nie einen Alben gesehen und würde das so gerne mal“, beklagte sich jetzt die beliebte Wiltrud, und Ingo, der sich in letzter Zeit stets neben sie setzte, tröstete sie:
„Da bist du bei Weitem nicht die einzige. Aber ich gebe dir einen Rat, versuch es bei Hohe Maien, da habe auch ich zum ersten Mal Faune und Elfen erkennen können. Die tanzen dann tatsächlich durch die Luft, meist über den Maifeuern und -bäumen.“
Ekkehart war indessen vor Wiltrud getreten, die nun ihren goldblonden Kopf zu ihm anhob, um ihn zu bitten: „Wenn Ihr mir diese Wesen doch wenigstens beschreiben könntet, Herr Ekkehart.“
Darauf geriet ein Lächeln in sein verwittertes Gesicht, und er ging auf ihre Bitte ein: „Schön, ich will es versuchen. Selbstverständlich sind die Körper der Alben nicht so kompakt wie die der Erdenwesen, sie sind, ja, wie soll ich sagen, sie sehen aus wie bunte Nebelschwaden, wie bunte Luftspiegelungen, eben ätherisch, verstehst du? Dennoch erkennt man eindeutig ihre Körper, wobei die Pflanzenalben immer menschenähnliche Gestalten haben. Die Strauch- und Baumfaune sind halb bis dreimal so groß wie wir, sehen grün bis braun und borkig aus, oft auch zerflattert und immer etwas unbeholfen. Sie wirken jedoch ausgesprochen würdig, wenn sie zuweilen für kurz von einer Baumkrone aus ihr Revier überblicken. Ganz anders die Elfen, die oft nur winzig sind wie Glühkäfer und höchstens so groß wie eine Lilienblüte. In Windeseile surren sie meist durch ihr Gefilde, kaum, dass unser Auge sie verfolgen kann. Ingo hat schon Recht, am ehesten kann man sie in einer Walpurgisnacht erkennen. So schwer ist das auch nicht, Wiltrud, und bei dir zu Hause, wo der Walpurgis auf den Alpenhöhen gefeiert wird, hast du es sogar noch einfacher. Am besten, du setzt dich dort alleine irgendwo hin, und dann schaust du, als würdest du träumen, hoch in die Luft. Versuche es mal, es klappt bestimmt. Der Äther ist auch relativ leicht zu erkennen, er gehört ja noch dem Midgard an, ist dessen feinste Substanz. Ungleich schwieriger wäre das bei den Nifelwesen.“
„Was?“, erschrak darüber Chlodwig, „die tanzen da auch immer mit rum?“
„Ach, ihwo“, lachte Ekkehart, „doch nicht beim Walpurgis. Außerdem musst du bei Nifelwesen nicht zwangsläufig an Spukgespenster denken, in den oberen Nifelregionen sind ausgesprochen liebliche Wesen zu Hause. Das weiß ich allerdings nur von unseren Priestern, denn meine eigene Sicht reicht über den Äther nicht hinaus. Bei deinem Freund Waldur dagegen vermute ich schon länger, dass er bis ins Nifelreich blicken kann. - Sag uns, Waldur, trifft das zu?“
Dem war diese Frage vor all den anderen peinlich, weshalb er die Tatsache errötend abschwächte: „So nun auch wieder nicht. Ich nehme bei manchen Gelegenheiten mal von jemandem die Nifelaura wahr, aber wirklich nur manchmal.“
Darauf wollte Chlodwig von ihm
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