Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
wüsstest, wie ich dich um diese Reise beneide. Schon deshalb werde ich dich bei deiner Rückkehr hier in Frowang empfangen, damit du mir gleich erzählen kannst. - Oh, warte“, er sprang hoch, „die Lehrerin geht, ich muss kurz zu Uta, oui?“, und schon eilte er zu ihr.
W aldur sah seinem Freund mit einem lachenden und einem weinenden Auge nach, wobei er sinnierte - einerseits eine Freude, dass er nach dem Verlust seiner Eltern langsam wieder aufblüht, doch andererseits dauert er mich, da mir heute besonders deutlich geworden ist, wie schwer es ihm gefallen sein musste, seine Ritterausbildung abzubrechen. Ausgerechnet Chlodwig, wo doch gerade er die Ritterschaft so hoch schätzt. Schön, nun ist er König, jedoch ohne Ausbildung, weshalb er als solcher von den meisten keltischen Regenten belächelt und von vielen nicht mal akzeptiert wird. - Armer Chlodwig.
H ohe Maien hatte Waldur in den Südalpen verbracht, und nun durchritt er auf seinem Scalla die Poebene, das Land der Ostgoten und Langobarden. Mit flottem Schritt, denn in seinem Eigen- und Leichtsinn hatte er für seine Rückreise einen Abstecher nach Westburgund geplant - zu Chrodegilde. Wenn ich mich nirgends zu lange aufhalte, hatte er sich ausgerechnet, kann ich gute zwei Wochen gewinnen, Zeit genug für diese Extratour. Ja, Chrodegilde war ihm nie aus dem Sinn gegangen, trotz einiger, allerdings harmloser Techtelmechtel in Frowang. Wie sie heute wohl aussieht, ging es ihm gerade wieder durch den Kopf, und was wird sie sagen, wenn ich so plötzlich vor ihr stehe?
Über diese Gedanken hatte er Mailand erreicht. Zunächst kam es ihm vor, als reite er hier über die breite Frowanger Schlossallee, doch je weiter er in die Stadt gelangte, desto deutlicher wurde ihm, dass es hier noch grüner und blühender war als in Frowang, auch weitaus eleganter, und dass Mailand bestimmt viermal so groß war wie seine Heimatstadt. Er staunte über die wundervollen Alleen hier, eingesäumt von locker auseinander liegenden, oft uralten, doch stets freundlichen Gebäuden, einige ganz aus Marmor.
Vergessen war für die nächsten Tage Chrodegilde und vergessen auch der Vorsatz, seinen Zeitplan einzuhalten. Immer wieder nahm er sich Zeit, um eine etruskische Sternwarte, eine Theateranlage, das berühmte Rathaus oder auch nur ein hübsches Steinbrückchen zu bewundern, und die Wohnhäuser, von denen er bei seinen vorgeschriebenen Besuchen einige auch von innen kennen lernte, faszinierten ihn nicht minder. „Jedes Gebäude dort ein Kunstwerk für sich“, hatte ihm der früher vielgereiste Erik angekündigt, was Waldur nun bestätigt fand.
Eine mindestens so große Überraschung aber stellte für Waldur die religiöse Toleranz der Mailänder dar. Er fand hier nicht nur Tempel für Heiden, sondern ebenso viele für Juden, Christen, Arianer, für Zeus- und Jupiteranbeter, und es war ein Erlebnis für ihn, an mehreren fremden Gottesdiensten teilzunehmen.
Mailand, das sagenumwobene frühere Mediolanum, nahm ihn gefangen.
F ünf Tage hatte er in Mailand zubringen sollen, es waren, mir nichts dir nichts, acht daraus geworden. Und nun, als er der Stadt den Rücken zugekehrt hatte, fiel ihm seines Vaters Warnung ein: „Sei auf der Hut, Junge, im Süden pulsiert ein Reiz, der unsereinem gefährlich werden kann, sei es in den wildromantischen Alpen, im malerischen Italien oder gar am Mittelmeerstrand. Ich denke besonders an die lauen Sommerabende bei süßem Wein und dieser Streichelmusik, das geht ins Blut, da verfließt dir unversehens die Zeit. Und wenn dich dabei noch eine liebliche Jungfer anlächelt“, hatte er zwinkernd hinzugefügt, „dann bist du ihr womöglich auf Lebzeit ergeben.“
Der Fürst selbst hatte auf seiner Junkerreise in den Alpen Waldurs Mutter kennen gelernt. Waldur hatte über seines Vaters Warnung gelacht, Jungfern und romantische Klänge könnten ihm nichts anhaben, hatte er gemeint - und jetzt hatte es der Zauber einer italienischen Stadt vollbracht. Vorsicht, die alte Etruskerstadt Ravenna soll auch beeindruckend sein, mahnte er sich deshalb selbst und nahm sich vor, nicht länger als einen Tag in Ravenna zu verweilen, wo er ohnehin nur König Odoaker eine schriftliche Botschaft seiner Tante zu überbringen hatte.
Das hielt er dann auch ein.
Vier Tage später in Ravenna, wurde er im Empfangsraum des wunderschönen Mosaikpalastes von König Odoaker freundlich begrüßt, wonach er ihm sogleich die Schriftrolle überreichte: „Bitte, Majestät, von meiner
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