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Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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Perfektion nie hatte vorstellen können, er erschauderte förmlich vor diesen Bauten. Ebenso bewunderte er die wunderschönen, für damalige Begriffe modernen Christenkirchen, auch die Thermen, die Foren und die ehemaligen, meist nicht mehr bewohnten Senatorenpaläste. Und bei seinen Familienbesuchen wurden ihm jeweils deren mal prunkvollen, mal erschreckend ärmlichen Wohnhäuser vorgeführt. Bald war er angetan von dem mannigfaltigen Gesicht dieser Riesenstadt. Allerdings auch erschüttert, denn solchen Reichtum und so viel Elend, oft in unmittelbarer Nachbarschaft, hatte er bislang noch nirgendwo erblickt.
Ungetrübte Freude dagegen bereiteten ihm die hiesigen Familienbesuche, bei denen er erlebte, wie sehr die Römer in ihren Familien aufgingen, wobei ihre größte Zuwendung stets den Allerjüngsten galt, für die sie alles taten, für die ihnen nichts zu teuer oder anstrengend war. Er erkannte - was dem Kelten sein Sippenstamm, das war dem Römer seine Familie. Doch so turbulent es in den Wohnhäusern auch zuging, bereits vor ihrer Haustür benahmen sich die gleichen Menschen sonderbar zurückhaltend, schon verängstigt. Vornehmlich die Frauen, die in der Öffentlichkeit nicht mal wagten, ihn frei anzuschauen, wenn sie ihm eine Frage beantworteten.
Woher diese Unnatürlichkeit? An den christlichen Gottesdiensten - alle anderen waren hier bei Strafe verboten - wurde es ihm klar. Hier ertönten von den Priestern, statt christlich aufbauender Worte, Einschüchterungen in Form römisch-politischer Parolen. So war das heute in Rom, christliche Lehren wurden hier für politische Zwecke missdeutet und missbraucht, und Papst Felix konnte oder wollte nichts dagegen unternehmen. Hoffentlich aber mal ein späterer und stärkerer Papst, wünschte Waldur nur.
Überall in dieser Stadt bekam er vor Augen - hier beherrschte untergründig noch immer römische Machtpolitik die Szene, fraß weiterhin Kultur, Religion und Menschlichkeit.
Mit dieser Erkenntnis und nach einem viele Hände schüttelnden Abschied verließ er nach sechs Wochen, im Heuert, die ewige Stadt. Enttäuscht? Keineswegs, lediglich aufgewühlt von der Vielfalt der Eindrücke.
    A uch außerhalb Roms brütete die Hitze, doch ein leichter Wind vom nahen Meer her erfrischte ein wenig die Luft. Waldur war nach einigen Stunden in einen Pinienwald gelangt und genoss jetzt, auf dem weichen Moosboden liegend, die Beschaulichkeit des Waldes. Über ihm schaukelten die flach ausgestreckten Äste im Wind, ließen ab und an einen Sonnenstrahl durchblinken und verbreiteten ihren Nadelholzduft. Hier konnte man wieder atmen, konnte Leben fühlen. Das war es, was Waldur in Rom so entbehrt hatte - Grün, Leben. Jetzt merkte er auf, dicht über ihm regte sich etwas, und als er hochblickte, gewahrte er in den Ästen einen dunkelgrünen Faun, der ihm freundlich zugewandt war.
‚Grüß dich, Waldgesell!’, winkte Waldur zu ihm hoch, worauf der Faun zurückgab:
‚Willkommen hier, nimm unseren Waldfrieden auf.’
‚Danke, bin schon dabei.’
Einmal die Sinne auf den Äther eingestellt, vernahm Waldur jetzt tief aus dem Gehölz sphärischen Frauengesang - die Waldfee. Er erhob sich rasch und strengte seine Augen an, doch die Klänge verloren sich, ohne dass er die Ätherschönheit hatte erblicken können.
‚Hast du sie gesehen?’, fragte er zu dem Faun hoch, der aber war unterdessen entschwunden.
Was du immer alles sehen und hören willst, würde Chlodwig jetzt wieder spotten. Mit diesem Gedanken trat Waldur zu seinem Scalla und erkundigte sich: ‚Genug ausgeruht? Wollen wir weiter?’
‚Wollen wir’, freute sich Scalla, worauf Waldur wieder in den Sattel stieg.
Auf seinem Weiterritt nahm er sich energisch vor, fortan keine überflüssigen Pausen mehr einzulegen. Er hatte sich in Rom seine Zeit so geschickt eingeteilt, dass er sich seinen Trip nach Tours jetzt leisten konnte, allerdings nur, wenn er zügig vorankäme.
Stets an der felsigen Westküste entlang, wurde jedoch das Vorwärtskommen in der Bruthitze von Tag zu Tag beschwerlicher. Am anstrengendsten schließlich am elften Tag, als die Sonne besonders gnadenlos vom Himmel brannte, weshalb der arme Scalla zur Mittagszeit kaum noch ein Bein vor das andere setzen konnte - und es kam und kam keine Garküche, geschweige denn eine Klause in Sicht.
Dann endlich, am frühen Nachmittag, hatte Waldur nach einer Straßenbiegung überraschend ein Städtchen vor seinen erstaunten Augen, das mit seinen überall ausgespannten

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