Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
kritisierend fragte: „Warum nur überlädst du dich immer wie ein Animierknabe mit Schmuck?“
Waldur antwortete ihm arglos freundlich: „Um Euch zu gefallen, Ritter Ossian.“
„Um mir . . “, Ossian rückte konsterniert ein Stück von ihm ab, „wie soll ich das verstehen?“
„Ja, weil, weil ich gedacht habe, Euch gefiel das“, geriet Waldur ins Stottern, und da Ossian ihn darauf noch entrüsteter, schon wütend ansah, erklärte Waldur ihm: „Meine Tante hat mich eindringlich darauf hingewiesen, Ihr legtet Wert auf ein gepflegtes Äußeres. Deswegen.“
„Ach, deswegen“, wiederholte Ossian mit jetzt unterdrücktem Lachen. Er nahm rasch einen Schluck Wein und brachte dann mit kloßiger Stimme hervor: „Nein, Junker Waldur, meinetwegen musst du das wirklich nicht. Weißt du, ein, zwei Broschen, das sieht vornehm aus, aber mehr ist zuviel.“
„Ja? Und welche soll ich abnehmen?“
Ossian zeigte sie ihm: „Sagen wir, die und die, und auch die an deiner Mütze. Und lass nächstens auch diese Spitzenkragen und -manschetten weg, die passen nicht zu dir.“
Darauf nahm sich Waldur bereitwillig die Schmuckstücke von seinem braunen Samtwams und der Mütze, während Ossian noch immer gegen sein Lachen ankämpfen musste. Waldurs Unbedarftheit hatte ihn entwaffnet.
V on Stund an wurde Ossian nachsichtiger mit ihm, und Waldur dadurch wieder lockerer.
Höchste Zeit auch, denn Waldur musste nun mitunter schon in Ossians Beisein diese und jene kurze, mündliche Botschaft überbringen, auch schickte ihn Ossian zu diesem Zweck bisweilen alleine in eine Residenz und ließ sich anschließend von ihm berichten. Dabei stellte sich Waldur von Mal zu Mal geschickter an, bald sogar weltmännisch, weshalb Ossian ihm immer schwierigere Aufträge erteilte.
Kurz nach den Weihenächten schließlich, sie waren mit den flottesten Kuriergespannen bis Prag geeilt, musste Waldur dem dortigen Markomannenfürsten gar eine peinliche Eilbotschaft seiner Tante übermitteln. Mündlich. Ossian wartete vor dem Palast auf ihn und bangte - hatte er Waldur damit überfordert? Doch bereits nach kurzer Zeit sah er ihn strahlend wieder aus der Palasttür heraus- und dann lässig die Treppe herunterkommen. Da war sie wieder, diese Arroganz, und in solch einem Moment.
„Alles gut verlaufen, seine Hoheit akzeptiert die Bitte meiner Tante“, berichtete Waldur Ossian freudig, als er vor ihm stand, doch wie ihn dessen eisiger Blick traf, fügte er hinzu: „Seine Hoheit war verständig, Ritter Ossian, und will sich bei König Odoaker entschuldigen.“
„Aha. Und darüber hast du eben so grinsen müssen.“
Entrüstet über diese Unterstellung trat Waldur einen Schritt zurück und verteidigte sich: „Grinsen? Nein, ich war erleichtert, mir bereitet solch ein Botengang eben noch Herzklopfen.“
Das verwunderte Ossian: „Du hattest Herzklopfen? Du?“
„Sicher doch, hattet Ihr die denn früher bei solch einer Botschaft nicht?“
„Und ob“, gestand ihm Ossian verwirrt, wobei er Waldurs jetzt noch phosphorisierenderem Blick auswich, „nur, mir hat man die mit Sicherheit angemerkt.“
Sollte er sich in Waldur getäuscht haben? Diese Frage stellte sich Ossian nun öfter und beobachtete ihn noch genauer. Dabei erkannte er endlich, wie sehr sich Waldur stets um alles bemühte, und wie oft er über seine eigene Ungeschicklichkeit verzweifelte.
‚Gut’, sagte sich Ossian darauf, ‚arrogant ist er also doch nicht. Verzeihung, Junker Waldur! Und seine Naivität kann man als Offenheit bezeichnen, als eine sogar charmante, sympathische Offenheit, die manchmal eben etwas ungeschickt ausfällt. Was Waldur fehlt, ist Diplomatie, doch die ihm beizubringen, ist nicht Aufgabe eines Ritterausbilders, die muss er sich später als Adelsrat selbst erwerben. Auch schlaksig ist er nicht mehr, allenfalls leger, verbunden aber inzwischen mit Eleganz. - Bleibt nur noch dieser Stelzgang, und den gewöhne ich ihm auch noch ab’.
Darüber vergingen fast zwei weitere Monde.
M üde kehrten sie eines Abends in einen rheinischen Gasthof ein. Ossian suchte bald ihre gemeinsame Logisstube auf, öffnete darin weit die Fensterläden und schaute noch ein wenig in die Nacht hinaus. Nicht lange, und er vernahm draußen im dünnen Schnee hackende Fußtritte, nicht weit von ihm und stets an der gleichen Stelle. Sie kamen vom Stall - ein unruhiges Pferd? Als er genauer hinsah, erkannte er Waldur, der im trüben Laternenlicht mit gestreckten Knien vor dem Stall auf- und abspazierte.
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