Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
sich wieder dieses Zacken und Zurren an, während er sich eines späten am Abends auf eine Ansprache an seine neun Hofrätinnen und -räte vorbereitete, die Feuereifer für sein Vorhaben in ihren angeblich verschlafenen Hirnen erwecken soll.
„Aufwachen, Mesdames et Messieurs, aufwachen!“, erschallte dann auch gleich am nächsten Morgen vor seinen Ratsleuten seine Trompetenstimme, „Ich will in dieser Angelegenheit endlich Elan bei Euch sehen! Wie lange beschäftigt Ihr Euch schon mit der Vereinigung all unserer Frankenstämme?“ Niemand wagte zu antworten, worauf Chlodwigs Stimme schneidend wurde: „Und was habt Ihr erreicht? - Ein paar Annäherungen, sonst nichts. Mit Versagern wie Euch kann ich nicht mehr arbeiten.“Er legte eine Pause ein, um seine Worte wirken zu lassen. Dann setzte er seine genau kalkulierte Rede fort: „Eine letzte Chance will ich Euch noch einräumen, Mesdames et Messieurs: Weist Ihr mir binnen kürzester Zeit brauchbare Resultate in dieser Angelegenheit auf, dann lasse ich mit mir reden, dann werde ich die Erfolgreichsten von Euch weiterhin in meinen Diensten behalten. Denkt darüber nach. Und heute Nachmittag erteile ich jedem von Euch neue diesbezügliche Instruktionen.“
Mit zackigem Schritt, den er sich seit kurzem angeeignet hatte, verließ er den Beratungsraum und schlug kraftvoll die Tür hinter sich zu. - Diese knappe Ansprache entzündet in den Räten das von ihm erwünschte Feuer, war er sich gewiss.
Er hatte sich nicht getäuscht. Nachdem er am Nachmittag seinen Ratsleuten ihre jeweiligen Aufträge erläutert hatte, machten sie sich unverzüglich ans Werk. Diesmal mit Einsatzeifer, zumal Chlodwig auf rasche Ergebnisse bestand. Unterstützt wurde er dabei von seinem Assistenten, Ritter Ukera, dem Gatten seiner Schwester Audefleda.
N ichts anderes gab es nunmehr für Chlodwig, als die Frankenvereinigung. Nicht das geringste Vergnügen und kaum noch Schlaf. Er war in seinem Element. Und wollten ihn Gedanken an Uta attackieren, dann schob er sie rigoros beiseite.
Bald zeitigten sich erste erfreuliche Ergebnisse: In Aachen hatte Chlodwigs Ratsdame Audine die dortige Fürstin veranlassen können, die Besatzer nicht mehr damit zu verärgern, die Naturfeste stets bis in alle Gassen auszudehnen, sein Lieblingsratsherr Siegbrecht hatte den Fürsten von Tilburg endlich dazu bewegen können, an Syagrius fortan pünktlich und in voller Höhe die zu jedem Vollmond fälligen Abgaben zu entrichten, und der überzeugungsstarken Ratsdame Bornhild war es gelungen, den Venloer Fürsten mit dem Fürsten von Zülpich zu einem Versöhnungsgespräch an einen Tisch zu führen. Chlodwig sprach den drei Ratsleuten dafür kein Lob aus, aufdass sie nicht in ihre frühere angebliche Saumseligkeit zurückfallen, er nickte nur stumm und erteilte ihnen sogleich neue Aufträge.
A nders Ritter Ukera, der Chlodwig jetzt während dessen Abwesenheit vertrat. Ukera sprach den Ratsleuten stets nach gelungenen Ergebnissen seine Anerkennung aus, ehe er ihnen die von Chlodwig vorbereiteten neuen Aufträge erteilte.
Derweil befand sich Chlodwig auf Reisen. Auf seinem flinksten Ross. Er wollte, er musste sein Ziel erreichen, und zwar zu dem von ihm vorgesehenen Zeitpunkt. Das war entscheidend.
So ritt er nun von einem fränkischen Fürstenhaus zum nächsten. Nur Verhandlungen führend, äußerst diplomatische, was bei ihm hieß, im Hinterkopf kühl berechnend, nach außen dagegen charmant, auch großmütig und ebenso viele haltbare wie unhaltbare Versprechungen abgebend. Stets wie es angezeigt war. Dabei empfahl er allen dreizehn Frankenregenten mit eingehenden Worten einen festeren Zusammenhalt, so wie er selbst es ihnen vorexerziere, er stünde doch auch, seit er König sei, mit jedem einzelnen auf freundschaftlichem Fuß, inzwischen sogar fast auch mit Syagrius. Sei doch viel vernünftiger. Wenn sich nämlich alle Frankenregenten einig seien, könne es mit dem besetzen Nordgallien nur noch bergauf gehen. Das leuchtete den Fürstinnen und Fürsten ein, und alle staunten, wie deutlich plötzlich in diesem jungen König der Merowinger ersichtlich werde.
So ging Chlodwig vor. Mit steigendem Erfolg.
Doch Chlodwigs schwierigste Aufgabe, um die ihn kein Hofrat beneidete und die Ritter Ukera streng missbilligte, bestand darin, den in vielem unnachgiebigen Syagrius auf reichlich unfaire Weise für sich einzunehmen. Was ihm auch gelang. Immer öfter ritt er nun nach Soissons zu Syagrius, bei dem er mit seinem Vorgehen
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