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Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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stolzes Bild gaben sie ab, einer sah ritterlicher aus als der andere, trotz der lässigen Haltung, mit der Waldur im Sattel saß. Sie unterhielten sich weiterhin über Chlodwig, den Frankenkönig, wie auch über die nun völlig neue Situation in Nordgallien, bis Waldur am Eingang des Tempelgeländes seinen orangemähnigen, farbbeklecksten Meister entdeckte, der ihn aufgeregt herbeiwinkte. Waldur entschuldigte sich bei Hilibrand und ritt zu ihm.
    V or Erik vom Pferd gestiegen, sah Waldur, dass dessen Künstleraugen noch heller sprühten als sonst.
„Komm mit“, forderte Erik ihn auf, „und mach dich auf was gefasst!“
Sie betraten das Tempelgelände und dort schließlich die stille, weite Andachtshalle. Und während sie zwischen den Gebetsbänken vor zur Priesterempore schritten, sah Waldur ihn dort oben funkeln - den Sonnenadler. Fassungslos blickte er zu ihm hoch, nach einer Weile aber zu Erik, und der erklärte ihm, ein nordsvebischer Ritter habe ihn heute früh im Palast für ihn abgegeben. Waldurs Blick blieb ungläubig, weshalb Erik wiederholte: „Ja, für dich abgegeben, ein Geschenk des dortigen Druiden, soll er gesagt haben. Dein Vater hat mich rufen lassen, und ich habe gemeint, die Einmaligkeit dieses Juwels käme hier am besten zur Geltung. Du bist doch einverstanden mit diesem Standort?“
„Ich? - Aber ja, natürlich doch.“
Mitten auf der Empore thronte auf einer Glassäule der Schwingen ausbreitende, kristalläugige Goldadler - erhaben, erhebend, fast hörbar jubelnd.
„Nun geh endlich hin“, regte Erik seinen Schüler an, „betrachte ihn aus der Nähe.“
Darauf erklomm Waldur ehrfürchtig die drei Stufen zur Priesterempore, und wie Erik ihm seine Ergriffenheit anmerkte, zog er sich zurück, ließ ihn mit seinem Kunstschatz alleine.
Waldur wagte, mit den Fingerspitzen das fein ausgearbeitete Goldgefieder zu betasten, die Flügel, den hochgereckten Hals und den so edel geformten Kopf, bis er in den Anblick des Himmelsvogels versank.
Erinnerungen, spürte Waldur, Erinnerungen aus meinem letzten Erdenleben holen mich wieder ein. Ich gewahre Künstlerhände vor mir, meine, Suavas Hände, die an einer Kopie dieses Goldadlers schnitzten. Jetzt greift meine Hand nach zwei geschliffenen Bernsteinen, die ich sorgsam als Augen einsetze, erst das rechte und anschließend das linke Auge. Damit ist der Adler lebendig. Er strahlt mit seinen warmen Bernsteinaugen gen Himmel in die Götterwelt, und gleichzeitig ertönt eine sphärische Weise - des Vogels Gesang? Nein, sie kommt von Suavas Lippen: ‚Sing, Sonnenaar, sing, das Lied von Sol und das von Surt, das Lied von Skuld und das von Urd . . ‘
Suava sang zwar weiter, doch für Waldurs inneres Ohr verloren sich die Klänge im zartblauen Reich der Urd, der Vergangenheit.
„Ein Meisterwerk.“
Diese Stimme ertönte vom Eingang der Halle. Waldur wandte sich um - in der Tür stand eine Jungfer, unwirklich schön. Ein Trugbild? Eine Erscheinung aus dem damaligen Leben? - Unsinn, es war eine Jungfer aus Fleisch und Blut, die einen vollen Einkaufskorb am Arm trug. Aber dennoch verwirrend, ihre Gestalt in dem knöchellangen, bläulichen Kleid wirkte transparent, ebenso ihr feines Gesicht, und das helle Haar perlte ihr wie bunt schillernder Tau vom Kopf bis weit über die Schultern.
„Ich habe Vater geholfen, den Adler aufzustellen“, erklärte die Unwirkliche.
„Wer - wer bist du nur?“
„Siglind“, sagte sie ihm, worauf er abwesend wiederholte:
„Siglind . . Heute also Siglind . . “
Er fuhr sich übers Gesicht: „Jadoch“, erkannte er sie jetzt, da er wieder zu sich fand, „die kleine Mainnixe von der Sonnenwende.“
Als er wenig später mit ihr ins Freie trat, staunte er, sie glich wahrlich einer Nixe, und ihr helles, kleinwelliges Haar schillerte tatsächlich in allen Regenbogenfarben. Noch immer leicht oder jetzt aufs Neue verwirrt, bat er sie, ein wenig mit ihm im Park zu verweilen. Darauf pochte ihr Herz noch heftiger, welchen Mut hatte sie aufbringen müssen, die Andachtshalle zu betreten, und welche Angst hatte sie ausgestanden, er könne sich von ihr gestört fühlen und sie erbost fortschicken - und nun dieses Einladung. Ihre Hände zitterten, ihr linkes Augenlid begann zu zucken, sie fürchtete, es fiel ihm auf, er merke ihr alles an, ihr heimlich angebeteter Waldur. Ich muss standhaft bleiben, ermahnte sie sich, ganz reserviert bleiben, ganz kühl. Deshalb lehnte sie ab:„Tut mir Leid, ich muss nach Hause.“
„Schade“, bedauerte

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