Die Hexe soll brennen
mein Bruder«, drängte der Wörther. »Und auf der Brust, unterm Herzen das Mal des Hufschlags. Kennst ihn, gell?!«
Die Eckhin schrie gellend, schrie vom nackten, entblößten Herzen, vom Dolch gezeichnet, schrie nach dem Beistand der schmerzhaften Gottesmutter. Nah war ihr bizarrer Buckel dem Stellmacher und der Seelenbeschwörerin.
»Ja!« Katharina krallte sich jetzt an diesen Buckel, gekrümmte Finger am abstoßenden Höcker. »Da seh' ich ihn. Brennt nur bis zum Zipfel, von unten her, aber weiter dringt die Höllenflamm' nicht. Kann nicht weiterbrennen, weil's den Bruder am Herzen traf, da schützt ihn die Muttergottes im Jumpfengranz, sein Herz nackt und bloß wie das ihrige …«
Der Stellmacher stöhnte, die Eckhin stieß geil mit den Hüften, wußte es nicht. Blutdurst und Lust eins.
»Tausend Jahr'«, winselte, keuchte Katharina. »Bloß tausend Jahr', dann fährt er auf aus der Vorhöll', dann hat er gebüßt, trägt ihn dann HerzJesu in EinFesteBurg. – Bet für ihn, Stellmacher! Hat's gut, dein Bruder, ach, wie gut, braucht bloß bis zum Zipfel brennen …«
Sie sank in sich zusammen, nahm, unverständlich jetzt, ihre Litanei wieder auf, und gellend lachte die Eckhin. Der Stellmacher aus Wörth flüsterte fast heiter: »Tausend Jahr' und die Muttergottes beschützt ihn. Wenn ich dem Pfaffen Silber für Seelenmessen zusteck', dann wird's ihm wohl noch leichter werden, kann dann schneller auffahren zum Himmel als ein Schneestieber am Hausdach, wenn der Ostwind pfeift.« Er drehte sich den Grueberschen zu, Gertrud und Johann, Katharinas Eltern: »Hat mir in meiner Not geholfen, die Käth. Hat mich lang gedrückt, die Angst um den Bruder. Daß er könnt' in der Höll' verderben. Jetzt ist's mir leichter! Die Tage kriegt ihr noch einen Ranken Rauchfleisch, meine Alte soll ihn bringen.«
Noch einmal kniete er vor Katharina, bekreuzigte sich. Das Mädchen beachtete ihn nicht mehr, war weit weg jetzt, wiegte und wiegte und wiegte sich dumpf. Als aber der Stellmacher hinaus in die Winternacht schlüpfte, als der Frostschwall sie traf, da schauderte sie zusammen, speichelte sprühend und schrie gellend: »Der fährt hinauf in die Himmelburg, bald, aber die Auerin, ach, die Auerin …«
»Was ist's mit der Auerin?« Die Stimme der Eckhin krächzte durch den Brodem aus Angstschweiß und religiöser Verzückung: »Was ist's mit der Auerin?«
»Brennt! Bis zu den Augen! Fleisch platzt! Und der Teufel! Dem rinnt's grün und schwefelgelb aus dem Arschloch! Der rennt ihr die Fackel unten hinein …« Katharinas Schädel trommelte gegen die Katenwand, sie verkrallte sich im eigenen Unterleib; hatte sich die Lippe blutig gebissen, beherrschte den Wahn nicht länger.
Die alte Grueberin riß sie zurück; nun war sie es, die wiegte, zu beruhigen versuchte.
»Die Fackel hinein«, keuchte das Mädchen, weinte.
»In die Sündenmusch', in die Pritsche«, schrie die Eckhin verzückt. »Ha, wie das brennt, tausend um tausend Jahr'.« Sie stieß die anderen beiseite, zerrte ihren Alten mit sich. Der fragte draußen: »Wohin?«
»Zum Auer«, krächzte das Buckelweib. »Müssen's ihm doch künden, wie's um die Abgeschiedene steht. Muß doch wissen, der Auer, was die Katharina im Peinfeuer gesehen hat.«
***
Geduckt unter lastenden Strohdächern stand der Zinshof des Johann Auer etwas außerhalb des Dorfes an der Fahrstraße hinüber nach Brennberg, einem nicht ganz unbedeutenden Rittersitz im Vorwald. Die vier Gebäude des Hofes bildeten ein lockeres Rechteck, schlossen einen Platz ein, auf dem alter Schnee und gefrorener Schlamm wirre Muster bildeten. Zentral darin lag der Misthaufen und nahe dabei der Taubenkobel, aus dem es zu dieser Jahreszeit nur matt gurrte. Dampfige Luft waberte aus dem gedrungenen Gewölbetor des Kuhstalls, vereinzelte Sperlinge pickten dort nach Resten vorjähriger Fladen. In seiner Hütte neben dem Wohnhaus ein struppiger Wolfshund, der während der wärmeren Jahreszeit auch auf der Schafweide gebraucht wurde, im Winter aber den Hof zu bewachen hatte. Denn während der Frostmonate waren Landstreicher und Halsabschneider selten weit. Jetzt lag der Hund mit leise zuckender Rute und gespitzten Ohren auf dem Stroh und horchte ins Haus hinein. Schon wiederholt hatte er seinen Herrn stöhnen hören.
Der Bauer hockte in der Küche beim Schnaps; im Hintergrund drehte eine Magd Gerstennudeln, formte den Teig mit rauhen, roten Händen, ließ die fingergroßen Gewichsten dann in den Topf mit der
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