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Die Hexe soll brennen

Die Hexe soll brennen

Titel: Die Hexe soll brennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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Katharina über die verschwitzten Haare. »Meinst, du kannst jetzt wieder schlafen?«
    »Ja, schlaf!« drängte der Vater. Balthasar hatte sich bereits zurückgelegt.
    Katharina aber, noch ganz im Bann des Traumes, begann stoßend zu weinen, und dann brach alles aus ihr heraus. »Ich bin auf dem Friedhof gewesen«, sagte sie schluchzend, und klammerte sich an die Mutter. »Ich hab' am Grab der Auerin gebetet, und dann hat die arme Seele zu mir gesprochen und gesagt, daß nur ich allein sie erlösen kann …«
    Immer schneller redete Katharina, immer lauter, und die anderen Familienmitglieder hörten ihr immer gebannter zu, eng um sie geschart, im rötlichen Schein des blakenden Kienspans. Und Katharina redete und schluchzte, und es war für sie wie eine Beichte …
    Doch nicht nur die Eltern und der Bruder hörten das wirre Gestammel – es gab noch eine weitere Ohrenzeugin, bucklig, krumm, heimlich lauschend.
    Die Eckhin, allem Übernatürlichen und Geheimnisvollen zwanghaft zugetan, hatte nicht vergessen können, was Katharina ihr vor der Friedhofsmauer erzählt hatte. Sie war durch das Dorf geschlichen, zum Friedhof, zum frischen Grab der Auerin, dann hatte sie sich zur Kate der Gruebers aufgemacht, hatte verstohlen durch die winzigen Fenster gespäht, hatte die Kälte mißachtet und hatte schließlich Glück gehabt. Und nun bekam sie, neben einem Fensterschlitz horchend, alles mit, was in der Kate gesprochen wurde. Sie saugte Katharinas wirre Reden förmlich in sich hinein, und erst, als es in der Hütte wieder ruhig geworden war, huschte sie fort.
    Aber sie würde wiederkommen, da war sie ganz sicher. Nachdem sie jetzt das ganze Geheimnis kannte, würde sie Katharina keine Ruhe mehr lassen.
    Am nächsten Tag, zur Vesperzeit, kniete Katharina im Herrgottswinkel der Kate unter einem roh geschnitzten Kruzifix, das mit vertrockneten Weidenzweigen geschmückt war. Das Mädchen betete inbrünstig, aber wortlos, und die anderen ließen sie stillschweigend gewähren.
    Keiner hatte Katharina wegen der Geschehnisse der letzten Nacht nochmals angesprochen. Wie in einer stillschweigenden Übereinkunft nahmen sie alles als einen wirren Traum hin. Doch die Gesichter der Häusler wirkten womöglich noch bedrückter als sonst, als ahnten sie, daß es mit dem Schweigen allein zuletzt doch nicht getan sein würde. So widmeten sie sich hilflos ihren üblichen Tätigkeiten und warfen nur ab und zu einen Blick auf Katharina in ihrem Winkel. Die Dämmerung brach eben herein, als jemand an die Tür klopfte. Johann Grueber öffnete, blickte erstaunt auf die beiden Besucher, die draußen standen. Es handelte sich um die Eckhin, deren verwachsene Schulter sich schroff gegen den bleiernen Himmel abzeichnete, und um einen vierschrötigen Mittvierziger, den Bauern Wolfgang Weinzierl, dessen Hof am entgegengesetzten Dorfrand stand.
    Johann Grueber erinnerte sich, daß man die Eckhin und den Weinzierl in letzter Zeit öfter zusammen gesehen hatte. Er starrte die Besucher unwillig an, dann fragte er: »Was wollt 's?«
    »Drinnen«, antwortete der Bauer und betrat die Kate. Die Eckhin drückte sich hinter seinem Rücken in die Stube. Notgedrungen folgte ihnen Johann Grueber.
    Wortlos ging Weinzierl zum Tisch und legte etwas Schweres auf die Platte, das in ein Tuch eingeschlagen war. »Die Katharina kann mit den Toten sprechen«, sagte er. »Still, ich weiß, was ich weiß, gelt, Eckhin.«
    Mit geneigtem Kopf starrte er das Mädchen an, das sein Gebet unterbrochen hatte, aber immer noch unter dem Kruzifix kniete. »Sollst für uns die Verbindung mit der Auerin herstellen«, fuhr er fort. »Du kannst's, da gibt's gar keinen Zweifel. – Und mußt es auch nicht umsonst tun. Sollst deinen Nutzen davon haben, Dirn, wenn du die arme Seele beschwörst. Du und deine Leut', ihr sollt alle euren Nutzen davon haben.«
    Er schlug das Tuch auseinander; ein Schinken von wenigstens sechs Pfund Gewicht kam zum Vorschein. Gierig starrten die Gruebers, auch Katharina, auf das duftende Geräucherte. Das war kein Wunder: Sie hatten seit Weihnachten kein Stück Fleisch mehr gehabt.
     

Die Anzeige
    Februar/März 1689
    »Ist Innen von Umbligenten brodt und andere Lebensmitlen zugetragen worden, und wer vill bracht, ist woll daran gewest, welche Leuth alsdann so fürwizig gewest, umb Ihre Voreltern gefragt, obs im Himmel, in der Höll oder im Fegfeuer sein.«
    (Aus den Protokollen des Geislinger Hexenprozesses)
    Über der Taglöhnerkate der Gruebers lastete der

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