Die Hexe soll brennen
hab' ich mich besoffen, weil ich dir geglaubt hab', was der Gruebersche Balg in seiner Boshaftigkeit ausgespuckt hat. Aber diese Nacht bin ich wachgelegen und hab' nachgedacht und immer wieder nachgedacht, Stund' um Stund'. Und da ist's mir inne geworden, daß es ein Teufelswerk ist, was ihr betreibt, du, Buckel, und die Gruebersche Hex'. Ein Teufelswerk, und vielleicht ist's gar aus deinem Höcker geschlagen, Eckhinsche Sau!«
Das Taglöhnerweib begann zu kreischen und wich zurück. Krächzte dennoch unter dem Türstock: »Die Kathrin ist keine böse Hex' und ich auch nicht. Aber wer weiß, wie's die tote Auerin getrieben hat. Die Kathrin ist ein heiliges Dirndl, aber sag' mir doch du, warum deine Wittib jetzt brennen muß, warum sie brennt, ihre Weibersch…«
Da feuerte der Bauer eine Holzschüssel nach der Buckligen, trieb sie so aus dem Haus, in den gefrorenen Morast des Hofes hinaus. »Pack s'!« rief der Auer seinem Hund zu, und das struppige Vieh sprang in die Kette, würgte sich und überschlug sich jaulend.
Die Eckhin schoß vom Hofplatz, schief, mit wippendem Buckel, und in das Jaulen des Köters mischte sich die wütende Stimme des Bauern: »Nach Regensburg hinein geh' ich heut! Zu den Kapuzinern! Denen vermeld' ich, was ihr Hexenbrut treibt zu Geisling. Brennen sollt's! Du und die Gruebersche Hur!«
Wie ein riesiger, unflügger Vogel flatterte und keuchte die Eckhin über die leeren Felder davon. Der Bauer aber suchte sich sein Gewand und seine Stiefel zusammen, um in die Tat umzusetzen, was er in seinem Zorn und Schmerz soeben dem Buckel zugerufen hatte. Er würde nicht länger dulden, daß das Andenken seines guten Weibs besudelt wurde von einer Hexe und einer Verwachsenen, und er war sich sicher, daß die Regensburger Kapuziner ihm beistehen würden. Schon zu seines Vaters und Großvaters Zeiten hatten sie den Besessenen die Teufel ausgetrieben, so wie es in der Bibel geschrieben stand, und wenn auch dies nicht geholfen hatte, dann hatten die Satanshuren eben brennen müssen.
Brennen wie die Margaret, schoß es dem Auer durch den Kopf, aber rasch verdrängte er diesen Gedanken wieder. »Mein Weib ist in der Gnad' verstorben«, murmelte er zornig. »Die brennt nicht im Peinfeuer, die Margaret. Aber andere. Aber andere …«
Fünf Stunden lang stiefelte er donauaufwärts, einen Kanten Brot im Sack und einen Streifen Speck, hielt sich auf dem alten Treidelpfad hart am Ufer des zu dieser Jahreszeit wenig Wasser führenden Stromes. Wenn überfrorene Wasserlachen auf dem Weg spiegelten, trat er so heftig hinein, daß es splitterte. In den Dörfern, durch die er kam, grüßte er keinen Menschen.
Als auf dem anderen Ufer die zerstörte Feste Donaustauf auftauchte, blieb er stehen und drohte mit der Faust hinüber. »Da habt's den Jörg Grueber verrückt gemacht«, knurrte er. »Der war von der Drud gedrückt – seiner Lebtag lang. Und jetzt ist die junge Grueberin eine Hex'. Dort drüben ging's an. Weil der Jörg auf die satanischen Schweden getroffen. Die Heiden …«
Er schlug sein Wasser ab angesichts der geschwärzten Mauern, und dabei fiel ihm ein, daß die Grueberschen hätten gestraft werden müssen, weil der Soldknecht Jörg die Feste des Bischofs nicht tapfer genug gegen die Schweden verteidigt hatte, damals vor fast sechzig Jahren. Das würde er auch den Kapuzinern erzählen, nahm er sich vor, als er den Hosenlatz schloß. Dann stapfte er weiter. Alles erschien ihm jetzt sehr klar.
Gegen Mittag erreichte er die Reichsstadt; klotzig stand vor ihm das Ostentor in der Mauer, mit wuchtigen Zinnen und engem Durchweg. Die beiden Stadtknechte beachteten ihn gar nicht. Er schritt durch die taubenverschissene Höhle, wich dahinter einem Fuhrwerk aus, dann einem gepanzerten Reiter, der mit Depeschen nach Straubing unterwegs war. Links und rechts der Ostengasse schmalbrüstige Handwerkerhäuser. Zu dieser Jahreszeit nur wenig Betrieb auf den vorgelagerten Verkaufsflächen. Doch von drinnen, aus den ebenerdig untergebrachten Werkstätten, hörte der Geislinger Bauer das Schrillen von bearbeitetem Metall, Hämmern, Feilen. Dazwischen Schelten, Singen, ein Wassergefäß, dessen fauliger Inhalt vom ersten Stock herunter in die Gasse klatschte. Vor dem Tor des Kapuzinerklosters, auf der Donauseite der Ostengasse, suhlte sich eine Sau im Kot. Johann Auer schuf sich mit einem Fußtritt Bahn, hüstelte, weil der erstickende Holz- und Kohlenrauch hier in der Stadt seine Bronchien reizte, und betätigte den
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