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Die Hexe soll brennen

Die Hexe soll brennen

Titel: Die Hexe soll brennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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gewechselt. Der Schock war zu groß gewesen: Zuerst, noch in Geisling, das rigorose Vorgehen des Pfarrers, dann der plötzlich losgebrochene Haß der Bauern, zuletzt der Büttel des Pflegers, kettenschwingend und hämisch von Prangerstock und Folter faselnd. Die Grueberin und die Eckhin hatten sich einfach mitschleppen lassen, hatten nur langsam begriffen, in was sie hineingeraten waren, und jetzt, mitten in der Nacht, brach es aus Gertrud heraus.
    »Du hast uns hergebracht!« schrie sie ihren Mann an, »weil du nach dem Traum der Dirn zum Pfaffen rennen mußtest! Geschah dir recht, daß sie dich eingekäut haben, du Narr. Aber warum hast' mich und den Buckel auch noch hinhängen müssen?«
    Johann Grueber verlagerte ein Bein; eine Wolke von Gestank stieg hoch.
    »Sauteufel!« keifte nun auch die Eckhin. »Mußt' denn wie ein Vieh unter dich scheißen?«
    »Warum sie euch hergeschleppt haben, weiß ich nicht«, stotterte der Taglöhner. »Ich bin gewiß nicht schuld daran.«
    »Hast uns aber dem Pfleger angegeben«, beharrte sein Weib. »Der Büttel hat's gesagt. Ich und die Eckhin wären's gewesen, die zum Hexenwerk getrieben hätten.«
    »Ich weiß ja nicht mehr, was ich beim Verhör gesagt hab'«, jammerte der Grueber. »Mein Bauch …«
    »Sauteufel«, wiederholte anklagend die Eckhin und rückte, so weit sie konnte, von dem Taglöhner weg.
    Der Grueber ging gar nicht darauf ein. »Ich war beisammen, als hätt' mir einer über den Schädel geschlagen«, sagte er. »Schon da, wie uns der Felß abgeführt hat, mich und die Kathrin. Und nachher auch, wie der Richter und sein Weib in die Kaue gekommen sind. Nichts weiß ich mehr von dem, was ich erzählt hab'. Vielleicht war's die Kathrin, die euch angegeben hat.«
    »Auf das Kind schieben, du Saubär!« Die Grueberin warf sich gegen ihre Ketten, konnte so den Mann packen, beutelte ihn, stieß ihn hart gegen die Mauer: »Du bist zum Pfaffen gerannt. Du hast keine Ruh' geben wollen, obwohl schon die Kutten dagewesen sind!« Sie fuhr zurück neben die Eckhin.
    »Unschuldig werden wir brennen müssen, weil du dein Maul nicht gehalten hast«, keifte die Bucklige. »Arschloch, du!«
    Da fuhr endlich auch der Grueber auf: »Du halt dein Maul, Buckelsau! Wenn's eine Hex' in Geisling gibt, dann bist du es. Hast nicht der Kathrin auf dem Friedhof aufgelauert? Und warst es nicht du, die uns die ersten Neugierigen in die Hütte gebracht hat? Hexenteufel, buckliger. Wenn sie dich verbrennen, dann will ich ein Halleluja singen!« Übernervös und keckernd begann er zu lachen.
    »Ha, und wenn ich sterben muß, dann singst' wohl auch«, schrie sein Weib. »Aber vor mir soll's noch dich erwischen, dafür werd' ich schon sorgen! Ich sag' dem Pfleger, daß du schon immer ein Hexer gewesen bist. – Weißt noch, wie ich nicht wollt' und wie du mich trotzdem hergenommen hast? Damals, vor zwölf Jahren. Hast mir die Dirn da in den Bauch gehext, und jetzt hat uns das böse Blut alle mitsammen ins Unglück gebracht. Ein Hexenteufel bist', daß du's weißt!«
    »Du und nicht wollen«, knurrte wütend der Grueber. »Bist immer hinter mir her gewesen wie eine läufige Hundsmatz. Du hast mich verhext, daß ich dir sechs Bankerten hab' machen müssen, und fünf dazu, die verstorben sind. Wo wir nie genügend Brot in der Hütten gehabt haben. Und jetzt willst du's auf mich schieben, du Deixelshur', du. Aber ich kann dem Richter auch was erzählen! Wie du Hex' mir mit dem Maul an den Prügel gegangen bist, weilst' gar nimmer genug hast kriegen können …«
    Die Eckhin schrie angeekelt auf und furzte laut. Die Grueberin begann in krampfhaften Stößen zu heulen. Katharina hockte zitternd da und hatte eine Faust in den Mund gepreßt, biß sich verzweifelt auf die Knöchel, bis das Blut kam. Am liebsten hätte sie sterben wollen. Selbst der Scheiterhaufen ängstigte sie in diesem Moment nicht mehr. Lautlos begann sie zu weinen. Aber in der Kaue gab es niemanden, der auf sie geachtet hätte.
    Der Streit zwischen den Erwachsenen ging weiter, heftig und rücksichtslos zuerst noch, später beinahe mechanisch, monoton. Der ekelhafte Streit zwischen den Ehegatten hatte sich selbständig gemacht, lief nach seinen eigenen Gesetzen die ganze lange Nacht weiter. Manchmal ging die Grueberin mit geballten Fäusten auf den Vater ihrer Kinder los, dann wieder stieß der Mann mit den Füßen nach seinem gefesselten Weib. Hätten sie zueinander kommen können, dann hätten sie vielleicht auch ruhiger werden

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