Die Hexe soll brennen
können. Doch das verhinderten die Ketten – und die Eckhin, die keifend immer wieder neue Stachel in den Streit setzte. So ging es weiter bis zum Morgengrauen, während, unaufhörlich wie das Gezeter, draußen der Märzregen rauschte, während Katharina schon keine Tränen mehr hatte und die brennenden Augen mit geballten Fäusten zu schützen versuchte. Bevor man sie in die Kaue gebracht hatte, war sie nichts weiter als ein verwirrtes Kind gewesen, das gelegentlich von unerlösten Seelen träumte und ihnen beistehen wollte. Ein Kind, das sich über Lebensmittel, die es sozusagen selbst verdient hatte, freuen konnte. Ein Kind, das noch auf einen ruhigen Weg hätte zurückgeführt werden können.
Doch während der Nacht in der Kaue zerbrach etwas in Katharina. Etwas in ihrer Seele veränderte sich, verhärtete, wurde irreparabel. Der blasphemische Streit der Eltern und der Eckhin bewies Katharina, daß es etwas im Leben gab, das sie bisher nie kennengelernt hatte. Sie begriff bei weitem nicht alles, was die Erwachsenen sagten, aber sie begriff, daß die Welt und die Menschen unsagbar böse sein konnten. Und so trat sie in dieser Nacht heraus aus der Welt und flüchtete sich in eine andere: Weniger schlimm als die schreienden und sich prügelnden Erwachsenen erschienen ihr nun tatsächlich Teufel und Hexen. In ihrem Gemüt war ein Riß entstanden, und der würde für den Rest ihres Lebens nicht mehr zu heilen sein.
***
Der Märzregen rauschte auch bei Sonnenaufgang, als der Büttel die Gefangenen aus der Kaue holte. Er fluchte, als er in dem stinkenden Verschlag die Fesseln lösen mußte, versetzte dem alten Grueber einen wütenden Fußtritt. Dann klirrten die Ketten ins faule Stroh, und der Knecht trieb Katharina und die drei Erwachsenen wie eine Horde Schweine hinaus in den Regen. Der Schloßhof war teilweise überschwemmt; wo sich Pfützen gebildet hatten, tanzten unter schräg niedergehenden Regenschnüren Heuhalme und verrottete Blätter vom letzten Herbst. Von schlammigem Wasser bedeckt war auch der Platz vor dem Portal des Wohngebäudes, wo der aus Eichenblöcken zusammengefügte Pranger dunkel buckelte.
Mehr Knechte kamen hinzu und stießen die Verurteilten zu diesem Gerüst. Barfuß, wie die Geislinger auch, patschten sie durch die Lachen. Als Katharina einmal ausrutschte, riß ein Rothaariger sie derb wieder hoch und gab dabei fluchend eine Zote von sich. Katharina reagierte nicht darauf. Sie starrte ins Weite, als sähe sie weder den Mann noch den Richtblock.
Auch ihre Eltern und die Eckhin gaben jetzt endlich Ruhe. In der Enge der Kaue waren sie aufeinander losgegangen wie eingepferchte Raubtiere. Jetzt sagte ihnen ihr Instinkt, daß sie sich am besten ruhig verhalten und auch nicht den geringsten Widerstand versuchen sollten. Sie benahmen sich wie die Unterdrückten aller Zeiten: wüteten gegen sich selbst und gegeneinander, nahmen jedoch dumpf hin, was immer auch von der Obrigkeit kam.
Vor dem Prangerblock beugte als erster der Alte den Oberkörper, streckte, nachdem ihm der Büttel den Kittel vom Oberkörper gezogen hatte, von sich aus die Arme vor. Hals und Handgelenke wurden in die engen Muldungen des Eichenholzes gezwängt, daraufhin dieser Teil des Strafblocks zugeklappt und mit einem Pflock verschlossen.
Dann fielen im strömenden Regen auch die verschwitzten, verdreckten Hemden der beiden Frauen. Grotesk ragte der Buckel der Eckhin über erstaunlicherweise noch prallen Brüsten, während die der Grueberin, die elfmal geboren hatte, als welke Hautsäcke über strangartig hervortretenden Rippen hingen. Die Knechte zwangen auch die Frauen in den Pranger und keilten die Blöcke fest. Gekrümmt, verspannt, wuchsen nun drei Leiber in den dunklen Eichenblock hinein, zeigten obszön gespreizte Beine und herausgereckte Hinterteile, auf der anderen Seite, wie Fremdkörper, eingezwängte Köpfe und verkrampfte, fahrige Hände.
Für Katharina war kein Platz mehr übrig. Der Pranger der kleinen Ortschaft war nur für drei Delinquenten berechnet. Deshalb führte der Büttel das stumme Mädchen zu einem etwas abseits in die Erde gerammten Pfahl, der in Brusthöhe ein Querholz trug. Er war am Abend zuvor extra aufgerichtet worden. Mit Stricken fesselte der Knecht Katharinas Arme an den waagrechten Balken, verschnürte dann ihre Taille und auch ihre Knöchel am senkrechten Pflock. Notgedrungen mußte das Mädchen den Kopf seitlich drehen, so daß ihre linke Wange in einer beinahe intimen Haltung auf dem
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