Die Hexe soll brennen
nichts. Und die Kathrin ist eine anstellige Dirn. Geschickt und auch nicht dumm. Vielleicht ein wenig verzogen vom Ahn Jörg her. Von ihm stammt's, daß sie manchmal spintisiert hat. Aber die Kathrin ist nicht schlecht. Hätte von sich aus nie etwas Böses getan.« Seine Stimme wurde lauter, er beugte sich vor, stemmte sich gegen die Kette. »Das ist allein die Schuld meiner Alten, der Gertrud. Die hat uns zu dem Hokuspokus angestiftet, mich und die Dirn. Die ist schuld an allem. Meine Alte und auch die Eckhin. Ich schwör's!«
»Du sollst nicht schwören!« versuchte Anne Michel den Alten zum Schweigen zu bringen, aber es war zu spät.
»Davon hast du vorhin nichts gesagt«, herrschte der Pfleger den Gefangenen an. »Du und Katharina – ihr habt euch also von deinem Weib und der Eckhin zu den Untaten anstiften lassen?«
»Das ist die reine Wahrheit«, beteuerte Johann Grueber. »Ist's nicht so, Kathrin?«
Das Mädchen nickte langsam, verstört. In seinem Kopf war es wieder so seltsam dumpf, als ob jemand dort drinnen endlose Litaneien sänge. Dunkel erinnerte Katharina sich an die vorletzte Nacht, als sie aufgewacht war, als sie gewußt hatte, daß die Auerin sie wieder gerufen hatte. Und als sie gefordert hatte, daß jemand zum Pfarrer gehen müsse, da hatte es einen Streit zwischen dem Vater und der Mutter gegeben. Einen Streit, und irgend jemand hatte sich der erneuten Beschwörung widersetzt. Der Vater? Die Mutter? – Katharina wußte es nicht mehr. Doch jetzt hatte der Vater sie so flehend angesehen, und deswegen wollte sie ihm helfen.
»Ja, ja, es war schon so«, sagte Katharina langsam und nickte erneut.
Dann erschrak sie über die tiefe Kerbe, die sich zwischen den Brauen des Pflegers gebildet hatte, und hörte den großen Mann sagen: »Nachdem die Tochter deine Anschuldigungen bestätigt, Grueber, muß ich auch deine Frau festnehmen lassen. Und die Eckhin dazu. Hat dich die Bucklige zu deinen Untaten angestiftet, Katharina?«
»Die Eckhin war an der Friedhofsmauer«, murmelte das Mädchen, war zu Tode erschrocken, weil nun auch die Mutter in die Kaue gebracht werden sollte, setzte hinzu: »Die Eckhin hat's getan.«
»Kaspar!« bat Anne leise. »Muß das denn sein?«
Der Pfleger blieb hart. »Es nützt nichts, wenn wir den einen faulen Zahn hier ziehen, und in Geisling eitert der andere weiter«, versetzte er. »Ich habe es einmal angefangen, und jetzt will ich es auch ein für allemal zu Ende bringen. Aber sei beruhigt, Anne! Ich lasse die Weiber nicht wegen Hexerei, sondern wegen Betrugs und wegen ihrer Schandmäuler einsperren und auspeitschen. Sie werden morgen mit den beiden anderen am Pranger stehen, und dann werden wir ja wohl wieder Ruhe haben im Pflegamt.«
Während die beiden Gefangenen vor Angst stumm blieben, nickte Anne mit zusammengepreßten Lippen, dann wandte sie sich noch einmal Katharina zu: »Trotz allem bleibt es bei dem, was ich dir versprochen habe. Wenn das hier ausgestanden ist, trittst du deinen Dienst bei mir in der Küche an.« Danach folgte die Pflegerin, blaß und mitgenommen, ihrem Mann nach draußen. Tief sogen beide die frische Luft ein. Aber der Gestank der Hexenkaue verfolgte sie noch diesen ganzen Tag, an dem auch die Grueberin und die Eckhin nach Pfatter geschleppt und in dem verrufenen Kerker angekettet wurden.
***
Der Gestank in der Kaue war pestilenzisch. Er trieb den vier Gefangenen den Schweiß aus den Poren, quälte Lungen und Bronchien, ließ ihr Denken noch dumpfer werden, als es ohnehin war.
Katharina lag in dieser Nacht, ohne wirklich Schlaf zu finden, in halber Ohnmacht auf dem verfaulten Stroh. Ihr Vater, den noch immer der Durchfall quälte, war so gleichgültig geworden, daß er jetzt im eigenen Kot lag. Sein Weib hatte die Knie an die schlaffen Brüste gezogen, kauerte so in einem Winkel und knirschte zuweilen mit den Zähnen. Die Eckhin hatte zu beten begonnen, haspelte die Wundmale Christi und die Namen obskurer Heiliger sabbernd herunter. Ihr Buckel rieb sich im Rhythmus dieser Litanei an der ammoniakgetränkten stallseitigen Kauenmauer. Im eigenen Brodem lagen und saßen die vier Angeketteten, und draußen rauschte monoton der Märzregen in der Nacht. Nach Stunden drang das Wasser durch den schwellenlosen Eingang, kümmerte sich nicht um Riegel und Ketten, verursachte den Gefangenen zusätzliche Qual.
Als der Knecht am Nachmittag die beiden Frauen gebracht hatte, da hatten sie mit dem alten Grueber und Katharina nur wenige Sätze
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