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Die Hexe soll brennen

Die Hexe soll brennen

Titel: Die Hexe soll brennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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Holz auflag. Auch Katharinas Oberkörper war nackt, in ihre magere Brust schnitten die groben Fasern des Eichenstempens, weil die Rinde nur unvollständig abgeschält worden war.
    Als alles für die Bestrafung bereit war, traten die Knechte zurück. Nur der Büttel blieb zwischen Schandpfahl und Block stehen. In der Faust hielt er jetzt ein dünnes Bündel vorjähriger Haselruten, ausgetrocknetes, geschältes Holz, das elfenbeinfarben schimmerte wie totes Gebein.
    Als auf der Freitreppe der Pfleger erschien, gegen den Regen mit einem wollenen Kapuzenumhang geschützt, ließ der Henker das Rutenbündel probeweise durch die diesige Luft pfeifen. Die Eckhin zuckte zusammen und begann zu winseln, gleich darauf fiel auch die Gruebersche ein. Doch Kaspar Michel zögerte noch mit dem Befehl zum Beginn der Züchtigung.
    Statt dessen wandte er sich an die müßigen Knechte: »Ihr verriegelt das Tor zur Straße, dann schert ihr euch in eure Quartiere. Ich will niemanden hier sehen, wenn der Büttel seine Pflicht tut. Euch nicht und auch keine Neugierigen aus dem Markt!«
    Erstaunt gehorchten die drei Knechte, legten am Straßentor den Querbalken vor, dann verdrückten sie sich, empört untereinander murmelnd.
    Auch der Büttel war verwirrt. »Soll's denn nicht wie sonst sein?« fragte er seinen Herrn. »Ich dachte, es gäbe ein Volksfest für ganz Pfatter heute …«
    »Nein!« erwiderte der Pfleger bestimmt. »Nur du und ich werden dabei sein. Und jetzt fang an. Zwei Dutzend für die Erwachsenen, eineinhalb Dutzend für das Mädchen!«
    Die Hände Kaspar Michels verkrampften sich unter seinem Umhang, als der erste Streich den Buckel der Eckhin traf. Die Ruten trieben das verwachsene Fleisch auseinander, rissen blutrote Striemen, streiften im Ausschwingen, da der Büttel links hinter der Frau stand, die rechte Brust. Braundunkel schwoll die Warze, und die Eckhin begann wie ein Tier zu brüllen.
    Als die Schläge einer nach dem anderen fielen, wand sie sich wie ein Tier, riß sich Handgelenke und Nacken in den engen Löchern blutig, stieß mit den Beinen erfolglos nach dem Knecht. Zuletzt hing sie halb ohnmächtig, mit einem Gittermuster von Striemen auf dem Rücken, im Block. Sie hatte sich die Lippen aufgebissen, und aus ihren Mundwinkeln troffen gelber Schleim und blaßroter Speichel.
    Nicht anders blieb Gertrud Grueber im Block hängen. Ihr Gatte bemachte sich selbst, noch ehe das erste Dutzend voll war. Zu seinen Füßen mischten sich Blut und dünnflüssiger Kot. Alle drei hatten aus Leibeskräften gebrüllt und um Gnade gefleht; jetzt stöhnten sie nur noch.
    Katharina schrie nicht, als die Streiche ihren Rücken trafen, auch dann nicht, als ein fehlgegangener Hieb ihr über die rechte Gesichtshälfte fetzte. Da ihr Kopf zur Seite gezwängt war, hatte sie die Züchtigung ihrer Eltern und der Eckhin die ganze Zeit über mit ansehen müssen, hatte die Erwachsenen im Zustand der tiefsten Erniedrigung erblickt – nichts hätte sie mehr treffen und anekeln können. Als die beiden Frauen und der Mann zuletzt wie schlaffe, blutige Gliederpuppen im Block hingen, da hatte sie alle drei abgrundtief zu hassen begonnen. Erklären konnte und wollte sie sich diesen Haß nicht. Aber der Ekel war so stark, daß sie die Streiche, die ihr selbst ins Fleisch bissen, kaum wahrnahm; sie lenkten sie höchstens von dem Bild der so furchtbar erniedrigten Erwachsenen ab. Am Ende wunderte sich Katharina fast, weil kein Schlag mehr kam. Sie murmelte einen Fluch, den sie irgendwo aufgeschnappt hatte, dann spuckte sie hinter dem abgehenden Büttel her.
    Die Auspeitschung hatte ihren Leib nicht gebrochen, nur der Riß in ihrer Seele hatte sich weiter vertieft. Die Mutter hängt da wie eine Hexe, dachte sie verwirrt. Die Eckhin auch, recht geschieht's ihr. Und der Vater hat sich vollgeschissen, der Teufel.
    Und dann, in ihre wirren Gedanken hinein, die erregte, bebende Stimme des Pflegers: »Ihr bleibt zu eurer eigenen Schande stehen, am Pranger und am Pfahl, bis Sonnenuntergang. Danach wird man euch freilassen. Diese Strafe wird euch jetzt hoffentlich eine Lehre sein! Wenn ihr es noch einmal treibt wie zuvor, dann werdet ihr brennen. Habt ihr mich verstanden?«
    Ein ersticktes Gurgeln der Eckhin, leises Stöhnen von den beiden Grueberschen. Katharina versuchte zu nicken, konnte es aber nicht, weil ihr Kopf gegen den Pfahl gezwängt war, brachte ein kurzes »Ja« heraus.
    »Gut!« Der Pfleger ging auffallend taumelig in das Gebäude zurück. Der

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