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Die Hexe soll brennen

Die Hexe soll brennen

Titel: Die Hexe soll brennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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Märzregen klatschte schräg aus jagenden Wolken auf die malträtierten Körper der vier Delinquenten. In Pfatter selbst wurde über die entsetzlichen Schreie, die aus dem Schloßhof gedrungen waren, getuschelt und geraunt. Doch Genaueres wußte niemand im Markt, denn die Knechte hielten auf den strengen Befehl ihres Herrn den Mund. Der Märzregen fiel den ganzen Tag, und am Abend wurden vier Körper aus dem Block und vom Pfahl genommen, die bestürzend an bleiche, blutleere Wasserleichen erinnerten.
     

Die Verführung
    April 1689
    »Ist der böß Feind in eynes Menschen Gestalt mit rotem Rock, rotem Leibl , gelben Strümpfen und einer Schmerhauben auf dem Kopfe neben Ir hergangen . – Und sind die Mutter und die Weinzierlin von Geisling in den Montag-, Freitag- und Samstag-Nächten auf Gabeln ausgefahren, und jedesmals 2 oder 3 Köpf Butter, Schmalz und Milch heimbracht.«
    (Aus den Protokollen des Geislinger Hexenprozesses)
    Die Hexenkaue und die Auspeitschung waren jetzt nur noch ein böser Traum. Der Märzregen, der damals noch Tage angehalten hatte, hatte Blut und Kot weggewaschen, und als dann im April die Sonne kräftiger und die Tage länger geworden waren, da hatte Katharina allmählich vergessen können. Nur tief drinnen in ihr nistete noch die Erinnerung an jene gespensterhafte Nacht und den folgenden grauenhaften Tag; manchmal wurde das Mädchen davon noch im Schlaf verfolgt. Aber die prickelnden Apriltage brachten ihr mehr und mehr das Leben zurück. Katharina lief über den Schloßhof, scherzte mit den Hunden, formte in der Küche mit schmalen Händen Knödel, und wenn sie letzteres tat, war sie manchmal sogar glücklich.
    Möglicherweise hatte Katharinas schnelles Vergessen seinen Grund darin, daß sie ihre Eltern seit dem Tag am Pranger nicht mehr gesehen hatte, daß zerpeitschte Rücken und der entsetzliche Streit zwischen Vater und Mutter gnädig aus ihrer Welt herausgelöst worden waren. Der Pfleger hatte die Eckhin und die Grueberschen damals noch in der Nacht auf einem strohgepolsterten Karren nach Geisling zurückbringen lassen. Katharina aber war auf Veranlassung von Anne Michel in eine saubere Kammer mit einem richtigen Bett geführt worden. Dort hatte sie sich dann erholen dürfen, bis die dünnen Schrammen auf ihrem Körper verschorft waren. Danach war sie als Magd in die Küche gekommen und hatte in der Frau des Pflegers so etwas wie eine bessere Mutter gefunden.
    An diesem späten Apriltag, an dem das Pflegschloß und Pfatter unter blauem Himmel lagen, während im Norden, über dem Waldgebirge, dunkelgeränderte Wolken trieben, hatte die Pflegerin Lust verspürt, sich in der Küche richtig auszuarbeiten.
    Jetzt saßen sie und Katharina sich gegenüber auf zwei niedrigen Buchenschemeln und jede von ihnen rupfte ein Suppenhuhn. In dem Gewölbe hing sämig und sauer der Geruch nach angebrühtem Fleisch. Die Hühner hatten bereits einige Zeit im Topf gekocht, und nunmehr lösten sich die Kiele leichter.
    Anne hatte eine Zeit geschwiegen, aber nun fragte sie plötzlich: »Träumst du jetzt immer noch von … von der verstorbenen Auerin?«
    Ein Hauch von Angst trübte die Augen Katharinas, doch sofort waren sie wieder klar. »Fast gar nicht mehr«, antwortete sie. »Manchmal wischt vielleicht im Traum etwas vorbei, aber dann wach' ich immer gleich auf.«
    »Das ist gut«, sagte die Pflegerin und schlug einen Hühnerflügel um. »Und deine Eltern gehen dir auch nicht ab?«
    »Sie schicken Grüße, wenn jemand von Geisling nach Pfatter kommt«, gab das Mädchen Bescheid. »Dann weiß ich immer, daß es ihnen an nichts fehlt. Sie sind jetzt schon wieder draußen auf den Feldern, und der Vater hat Arbeit beim Weinzierl bekommen. Sie wissen auch, daß es mir gut geht, hier bei Euch. Mir gehen meine Leut' nicht ab. Bloß zur Kirchweih, im Herbst, da würde ich schon wieder mal gerne nach Geisling gehen. Möcht' dann mit meinen Leuten die Schmerküchlein essen.«
    »Das wird sich machen lassen«, versprach Anne Michel. »Gefährlich wird's ja nicht mehr sein, denn du bist um ein gutes Stück klüger geworden seit … damals.«
    »Ihr meint – die Kaue? Daran möcht' ich nicht mehr denken!« Katharinas Augen hatten sich jetzt deutlich verschattet. Sie wischte sich mit der Hand darüber, eine feuchte Hühnerfeder blieb in ihrem Haar hängen.
    »Sollst auch nicht mehr daran denken«, bemühte Anne sich das Mädchen zu beruhigen. »Das ist vorbei, ein für allemal. Aber du mußt auch verstehen,

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