Die Hexe soll brennen
zwei Hände von hinten auf seine Schultern, und ein nachgiebiger Leib drückte sich gegen seinen verspannten Rücken.
»Du, Anne?«
»Ich habe gespürt daß du mich jetzt brauchst«, antwortete die Frau. »Du hast die Geislinger verurteilt?«
»Zu einem Tag und einer Nacht in der Kaue – und morgen zu Ruten und Pranger.«
»Wegen Hexerei?«
»Um sie endlich zur Vernunft zu bringen!« Der Pfleger drehte sich um. Anne preßte unwillkürlich die Lippen zusammen, als sie den gequälten Zug um seine Augen sah. »Der Felß hat angedeutet, die Sache könnte viel schlimmer ausgehen, wenn die Kapuziner wieder eingeschaltet würden.«
Michel flüsterte jetzt: »Es wäre wohl seine Pflicht gewesen, die neue Geisterbeschwörung der Grueberschen nach Regensburg zu melden – aber er hat es nicht getan. Mit den wenigen Worten, die er sich erlaubte, bat er mich indirekt, die Geschichte hier aus der Welt zu schaffen. Bei uns sind es nur die Ruten. Wären die Kutten wieder auf der Fährte, dann könnte es der Scheiterhaufen sein.«
»Ich habe wieder im Spee gelesen«, sagte die Frau, ebenfalls flüsternd. »Danach hätten das Mädchen und ihr Vater auch die Ruten nicht verdient.«
»Sie haben immerhin die Bauern und den Pfarrer betrogen«, erwiderte der Pfleger.
»Weil die Tölpel so dumm waren, es ihnen zu erlauben. Nun, vielleicht nicht der Felß.«
»Der ganz gewiß nicht!« Kaspar Michel nahm die Hand seiner Frau, preßte sie wie hilfesuchend. »Aber was kann ich denn tun, als die Sache möglichst glimpflich abgehen zu lassen? Du mußt auch mich verstehen, Anne! Wir haben nun einmal die Hexengesetze – obwohl der Spee dagegen schreibt. Ich kann nichts weiter tun, als die Grueberschen vor den Kapuzinern zu schützen, und auch das nur, weil der Felß den Mund halten wird. Mehr ist nicht möglich.«
»Doch«, sagte die Frau fest. »Wenn alles vorbei ist, können wir uns um das Mädchen kümmern. Die Katharina soll nicht nach Geisling zurück. Dort kommt sie bloß wieder in Versuchung. Ich habe gehört, daß die bucklige Eckhin ihr vieles eingeflüstert hat, und die Eltern haben das Mädchen dann ausgenützt. Wenn das Kind bei uns bleibt und eine vernünftige Arbeit tut, in der Küche vielleicht, dann können wir ihr wirklich helfen. Erlaube es, Kaspar!«
Der Pfleger überlegte. Dann antwortete er: »Du bist klüger als ich, der Richter, Anne. Wir wollen es so machen, wie du gesagt hast. Und wenn du willst, dann können wir den beiden Grueberschen gleich mitteilen, was wir beschlossen haben.«
»Dann zur Hexenkaue«, sagte Anne. Obwohl sie über die Nachgiebigkeit ihres Gemahls hätte erfreut sein müssen, fröstelte sie.
***
Die Hexenkaue war an die Grundmauer des Schlößchens angebaut, dort, wo der Wohntrakt gegen das Stallgebäude stieß. Die Mauern waren hier feucht, auf der Stallseite von Jauche durchtränkt, scharf nach Ammoniak riechend. Die Kaue selbst war lieblos aus einem Gemisch von Bruchsteinen und Ziegeln aufgeführt, mit körnigem Mörtel verkleistert. Das Dach bestand aus quergelegten Balken und Brettern. Drinnen, in dem nicht einmal mannshohen Loch, gab es eine Schütte altes Stroh und an der Rückwand mehrere eingemauerte Ketten mit Handschellen daran. An diesen hingen, jeweils an einem Arm gefesselt, Katharina und ihr Vater. Ein halbflüssiger Haufen Fäkalien in einer Ecke stank entsetzlich – der alte Grueber hatte Durchfall bekommen, gleich nachdem man ihn hier angekettet hatte. Scheußliche Spritzer klebten an seinen Hosenbeinen.
Es verschlug dem Pfleger und seinem Weib den Atem, als sie gebückt eintraten. Anne würgte, hatte sich aber sofort wieder in der Gewalt. Ihr Mann reichte ihr sein Sacktuch, schützte sich selbst Mund und Nase mit einem Zipfel seines Umhangs. Katharina errötete vor Scham und beide Gefangene starrten die Besucher mit großen Augen an.
Anne fand als erste Worte: »Mein Gemahl möchte noch einmal mit euch sprechen.«
Als keiner der Angeketteten antwortete, sagte der Pfleger: »Ihr habt euer Urteil vernommen – daran wird sich nichts ändern. Aber Anne, mein Weib, hat für Katharina gebeten. Das Mädchen soll, nachdem es seine Strafe erhalten hat, bei uns auf dem Amtssitz bleiben. Sie soll als Magd in der Küche dienen, damit sie in Zukunft keinen Unsinn mehr anstellen kann. Hast du etwas dagegen, Johann Grueber?«
Die Kette des Gefangenen klirrte. Er schnaufte schwer, rümpfte die Nase, antwortete: »Es ist uns eine Ehr', der Herr! Nichts hab' ich dagegen, gar
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