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Die Hexe soll brennen

Die Hexe soll brennen

Titel: Die Hexe soll brennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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Wölbung hinter seinem Hosenlatz. Sein Schädel rot, das Haar wirr, dicke Aderstränge auf den nach vorn gestreckten Händen.
    »Nicht weiter!« flüsterte sie. Doch Katharina wollte jetzt auch gar nicht mehr um Hilfe rufen; sie hatte sich ja selbst schuldig gemacht, weil sie Lippen und Hand dieses Mannes an ihrem Leib geduldet hatte. Die Sünde war bereits in ihr, aber größer durfte sie nicht werden – und dann sah Katharina den Ausweg. Die Hände mit dem dichten Adergeflecht waren nur noch Zentimeter von ihrem Leib entfernt, als sie fauchte: »Rührt mich nicht an. Nicht mich! Ihr würdet eine Hexe anrühren! Es wär' um Eure Seele geschehen!«
    »Was?« Der Eisenamtmann erstarrte. »Was sagst du da?«
    In diesem Augenblick war sich Katharina ihrer Macht vollkommen bewußt. Sie war stärker als dieser große Mann! Ein wildes Triumphgefühl durchflutete sie, schwemmte die Verwirrung in ihrem Leib hinweg. Sie, Katharina, konnte den mächtigen Hanndloß in seine Schranken weisen. Die kleine Küchendirn den großen kurfürstlichen Amtmann! »Ich bin eine Hex' und komme aus einer Familie von Hexen«, zischte sie.
    Hanndloß musterte sie ängstlich aus zusammengekniffenen Augen. »Du lügst«, murmelte er, »willst mich bloß schrecken.« Er schwankte zwischen Furcht und Begierde. Aber er kam nicht näher. Statt dessen zuckte unbewußt sein Unterleib.
    Katharina nahm, ebenfalls unbewußt, diese Herausforderung an. »Soll ich Euch wirklich sagen, wie's um mich steht? Ja?« Als der Amtmann verwirrt schwieg, sie lediglich mit fahrigen Blicken musterte, setzte sie hinzu: »Im vorigen Jahr hab' ich bei einem Bauern in Burgweinting als Kindsmagd gedient. Da ist mir der Teufel als eine Katze erschienen und hat mir das Kopftuch heruntergerissen. Hat mir auch zwanzig Maulschellen gegeben, daß ich ganz wirr im Kopf geworden bin …« Sie funkelte den Amtmann an. Der bedachte sich und erwiderte schwach: »Maulschellen kannst du von mir auch bekommen. So ein Schmarrn, was du da erzählst! Komm, leg dich wieder ins Bett und laß mich zu dir. Dann wirst du den Teufel schnell vergessen haben.«
    Aber Hanndloß machte keine Anstalten, tatsächlich handgreiflich zu werden. Er wußte nicht mehr, was er von diesem Mädchen halten sollte. Er war verunsichert, und genau das trieb Katharina dazu, ihre Trümpfe noch weiter auszureizen. Das alles war jetzt ein Spiel für sie, in dem sie ihre Macht über den großen Mann auskosten konnte. Der Riß in ihrer Seele, der sich zuerst in den Armen Jörgs, dann auf dem Geislinger Friedhof am Grab der Auerin, später in der Grueberschen Kate und zuletzt am Schandpfahl gebildet hatte, war wieder aufgebrochen, und er klaffte in diesem Moment weiter, gefährlicher denn je.
    »Wie ich dann meinen Dienst in Burgweinting gekündigt hab'«, zischelte sie, »wie ich nach Hause gelaufen bin, da ist mir der böse Feind in Menschengestalt erschienen!« Katharina fuchtelte im Eifer mit den Armen; die Wolldecke glitt von ihren Schultern, doch sie bemerkte es nicht. »Der Teufel hat einen roten Rock und ein rotes Leibl angehabt. Gelbe Strümpf' dazu und auf dem Hörnerschädel eine schwarze Schmerhauben {*} : So ist er lange neben mir hergegangen.«
    Während der Amtmann sie noch verwirrter und mit aufgerissenem Mund anstarrte, kicherte Katharina, fragte, keckerte aus dem Kichern heraus: »Wollt Ihr noch mehr hören? Ja? Von meiner Mutter? Die ist auch eine Hex'! Zusammen mit der Weinzierlin von Geisling ist sie immer in den Montag-, Freitag- und Samstagnächten auf Gabeln ausgefahren, zu den anderen Bauern. In die Ställ' sind sie eingefallen und haben jedesmal zwei oder drei Köpf' {*} Butter, Schmalz oder Milch heimgebracht. Hexenbutter. Hexenschmalz. Hexenmilch. Ja, damit haben sie mich dann eingeschmiert, und so bin ich selber eine Hex' geworden …«
    »Halt' den Mund jetzt!« raunzte Hanndloß, wütend und verstört zugleich. »Ich will solches Teufelszeug nicht hören! Du erzählst mir Märchen, weil du nicht willst, daß ich dir auf den Leib komm', Schwanztäuscherin, du! Aber ich werd's dir beibringen. Auf der Stelle!«
    Katharinas nackter Oberkörper, die kleinen Brüste waren stärker als die Furcht des Amtmanns. Er sprang auf sie zu, stellte sie in ihrer Ecke. »Von mir aus sollst du eine Hexe sein«, keuchte er, während er nach Schultern und Brüsten griff. »Vielleicht ist's ganz schön mit einer Hexe.« Er lachte, drängend nahe an Katharinas Ohr. Das Mädchen sperrte sich, war wie erstarrt.

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