Die Hexe soll brennen
Ihr Mittel hatte versagt. Der speichelnde Mund des Mannes an ihrem Hals, seine Hand an ihrer Brust, seine Hand an ihrem Gesäß, in der Backenspalte. Unkontrollierbares Zittern durch den ganzen Leib.
»Ja, so ist's gut«, keuchte Hanndloß. »Ja … ja …«
Doch dann plötzlich der fürchterliche Stoß in sein Gemächte, der ihn augenblicklich lähmte, ihn würgte, ihn hilflos machte. Brechreiz und eiskaltes Schrumpfen zwischen den Schenkeln. Das Mädchen hatte ihm ein Knie zwischen die Beine gewuchtet. Hanndloß taumelte zurück, konnte sich kaum noch aufrechthalten. Der Schmerz schien ihm die Eingeweide zu zersprengen …
Als Katharina ihn zum Fenster zerrte, stieß, ihm hinaushalf, ihn mit ungeahnter Kraft durch die Höhle schob, da wurde ihm immer wieder schwarz vor Augen. Er glitt draußen an der Mauer entlang zu Boden, rang nach Luft. Das Mädchen reichte ihm die Laterne, stieß damit gegen seinen geschundenen Körper, bis er sie ergriff. Immer noch furchtbar der Schmerz, aber die Schwärze vor seinen Augen schwand allmählich. Hanndloß zog sich an der Mauer hoch, stand aufrecht da. Und dann drang aus der Fensterhöhle Katharinas zischelnde Stimme zu ihm: »Eine Hex' bin ich, jetzt weißt du's. Wie meine Mutter. Wie die Weinzierlin. Die haben sich oft mit Hexensalbe eingeschmiert und sind auf Mistgabeln und Besen durch den Kamin ausgefahren. So wie du jetzt durchs Fenster. Und nun geh, Hanndloß! Geh! Geh!«
So haßerfüllt klang das Zischeln, daß der Amtmann gehorchen mußte. Er schleppte sich, ohne noch einmal zurückzublicken, über den dunklen Schloßhof, zwängte das Tor auf, war taumelnd draußen. In seinen Eingeweiden wühlte immer noch der unsagbare Schmerz. »Verfluchte Sau!« stöhnte er, als er sich gekrümmt auf den Heimweg machte. »Verfluchte Hex'! Hast es ja selber eingestanden. Und wie sonst hättest du dich auch gegen mich so gut wehren können? – Aber wart nur ab! Dir werde ich's zeigen! Hast selber zugegeben, daß du und die Deinen Hexen seid. Dann müßt ihr auch als solche behandelt werden. Du wart nur ab, du Schwanztäuscherin, du Sauhex'. Du wart nur ab!«
So verschwand der Eisenamtmann fluchend in der Nacht. Und drinnen, in ihrer Kammer, war Katharina zusammengebrochen, fieberte und litt mehr denn je zuvor unter dem grausamen Riß in ihrer Seele.
Das Protokoll
Mai 1689
»Simon Hanndloß hat gemacht eyne aidliche Aussag .«
(Aus dem Protokoll des Geislinger Hexenprozesses)
Nachdem er einige Tage unmäßig getrunken und wiederum die nach ihrer Entjungferung gierig gewordene Brennbergerin beschlafen hatte, ging der Eisenamtmann eine Woche lang in sich gekehrt einher. Während dieser Zeit wuchs sein Haß auf die Kleine, die ihm so übel die Hoden malträtiert hatte, ins Unermeßliche. Und am zweiten Maitag suchte Hanndloß erneut den Pfleger in seinem Schloß auf, war diesmal nicht geil, sondern streng dienstlich, übersah Katharina, die im Hof Holz schichtete, und forderte drinnen in der Amtsstube von Kaspar Michel, ein Protokoll aufzuzeichnen, das er diktieren und auch beeiden wolle.
»Ihr wirkt so ernst?« fragte der Pfleger, während er Papier, Feder und Tintenfaß bereitstellte. »Worum geht es denn, daß Ihr es so förmlich macht?«
»Um nicht mehr und nicht weniger, als daß Ihr eine Hexe in Euer Haus aufgenommen habt«, erwiderte grimmig der Eisenamtmann. »Das kann und werde ich Euch beweisen. Es ist die Katharina Grueber, und sie ist mit dem Leibhaftigen im Bund!«
Das Federmesserchen, mit dem Kaspar Michel am Gänsekiel geschnitzt hatte, fiel auf die Platte des Schreibpults.
»Was behauptet Ihr da? Das kann nicht Euer Ernst sein!« Der Pfleger versuchte ein Lachen, aber es wirkte gequält. »Ihr habt Euch vor zwei Wochen selbst von dem Mädchen bei Tisch auftragen lassen, habt sogar mit ihr gescherzt. Und jetzt seht Ihr plötzlich eine Hexe in ihr? Das begreife ich nicht, Hanndloß.«
»Weil sie Euch ebenso zu blenden vermocht hat wie damals beim Mahl mich selbst«, versetzte der Eisenamtmann und warf den massigen Schädel nach hinten. »Wenn Ihr aber erst aufschreibt, was ich Euch heute zu melden habe, dann werdet Ihr anders denken. Es ist so und bleibt dabei: Die Katharina Grueber ist eine Hexendirne!«
»Dann beweist es!« forderte unwillig der Pfleger und wünschte sich in dieser vermaledeiten Situation sein Weib herbei. Doch Anne war an diesem Tag in die Wallfahrtskirche Maria Läng nach Regensburg geritten.
»Das will ich«, beteuerte der
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