Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hexe soll brennen

Die Hexe soll brennen

Titel: Die Hexe soll brennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
Vom Netzwerk:
dann – vielleicht – mich.« Doch der Wein löste nichts, und in der Nacht löste auch das Weib nichts in Kaspar Michel. Erst im Morgengrauen, als sie beide zu früh erwachten, als die Dunkelheit sie aber noch ausreichend beschützte, konnte Kaspar Michel sprechen; Anne zu berühren, wagte er dabei nicht.
    »Sie plagen und foltern sie jetzt seit drei Wochen, Anne!« flüsterte er so leise, daß manche seiner Worte untergingen. »Zuerst den Johann Grueber, weil der Inquisitor dachte, der alte Mann würde am leichtesten zu brechen sein. Als der Taglöhner nichts von sich gab als Winseln und Betteln, da nahmen sie sich sein Weib vor. Aber auch die Gruebersche ist zäh. Dutzende Male haben sie ihr vorgehalten, was in dem verfluchten Protokoll steht. Sie leugnet's …«
    Der Pfleger warf sich im Bett herum; das alte Holz des Rahmens schien zu schreien. Der Mann stützte sich auf den Ellenbogen und sog die kühle Luft ein, die von draußen, von den Donaumarschen her, in den Raum drang. Hastig und flach wie ein Asthmatiker atmete er.
    Wieder schrie der Bettrahmen, dann war Anne hart neben ihm. »Und Katharina?« fragte sie gepreßt. »Ist sie … habt ihr sie immer noch nicht …«
    »Der Jesuit verschont sie nach wie vor.« Kaspar Michels Atem ging ein wenig ruhiger. »Straßmayr sagt, das Mädchen sei bereits durch die Aussagen des Hanndloß überführt. Mit dem Geständnis selbst könne man warten. Benötige es vielleicht gar nicht.«
    »Glaubst du ihm das?« Mit wehem Laut die Frage der Frau.
    »Ich glaub's ihm nicht. Es ist etwas in diesem fetten Jesuitenkörper, das ich nicht kenne und doch gut begreife.« Der Pfleger knirschte mit den Zähnen. »Ich glaube, der Jesuit will sich Katharina Grueber aufsparen, wird sie zuletzt am meisten von allen quälen …«
    Jetzt lagen Annes Arme um seinen Leib; von hinten hielt sie ihn umschlungen. »Wie kann er das?« fragte sie, tonlos, zitternd. »Er foltert sie doch alle. Was kann noch mehr quälen als die Folter?«
    »Er – der Jesuit!« Die Fingernägel des Pflegers knirschten, gruben im Holz des Bettrahmens. »Er kann's mit seinen Augen – nein, mit dem einen, dem linken. Das Teufelsaug' verheißt mehr als Daumenschrauben und Streckbank; das brennt dir in die Seele hinein – ich spür's ja selbst, wenn wir hinter der Balustrade hocken und er mich fixiert damit. In dem Jesuiten kocht die Hölle, Anne. Der dürfte kein Richter sein. Der nicht …«
    »Und du? Kannst du dich nicht auflehnen gegen ihn? Ihn in seine Schranken weisen?« Anne bettelte jetzt, flehte. »Du sitzt ja selbst im Gericht …«
    Die letzten Wörter waren ihr fast unwillentlich entschlüpft. Sie hätte sich die Zunge abbeißen können. Doch ihr Mann nahm es hin. Er wußte es ja. »Bin doch nur der kleinste Beisitzer dort«, murmelte er. »Und dafür danke ich Gott! Machen kann ich nichts. Der Scherer und der Edlmar wären mächtiger als ich, aber auch die kämen nie gegen den Jesuiten an. Den fürchtet sogar der Graf, der Notthafft. Fürchtet ihn und wagt sich dennoch nicht an ihn. Neulich, als wir uns in seinem Quartier besoffen haben, da gestand mir der Notthafft, er könnt' den Jesuiten erdolchen, könnt' ihm das Gedärm zerstückeln. Aber gleich darauf begann er zu flennen wie ein Kind und beschwor mich, ja mit keinem Menschen darüber zu reden. Winselte mich wie ein Bub deswegen an. Der Notthafft, Anne, ist einer der Mächtigsten in der Oberpfalz, im Gäu, aber er fürchtet den Jesuiten wie ein geprügelter Hund den Herrn …«
    Annes Arme waren plötzlich weg, auch die Wärme ihres Körpers. Der Pfleger fröstelte an jenen Stellen, an denen sie ihn eben noch umschlungen hatte.
    »Dann kann keiner etwas tun«, sagte die Frau, aus der Tiefe des Bettes heraus.
    »Nur ein Verzweifelter.« Der Satz fiel, kaum hörbar, erst nach einer ganzen Weile.
    »Und die Folterungen gehen weiter?«
    »Sie gehen weiter«, sagte der Pfleger. »Heute. Ich reite heute zurück nach Straubing. Der Jesuit hat sich die Christine Weinzierl vorgenommen.«
    ***
    Georg Straßmayr, der Inquisitor, hatte sich gut auf das peinliche Verhör der Christine Weinzierl vorbereitet.
    Damit die Hexe ihn ja nicht überwältigen könne, hatte er sich die Handgelenke mit schweren Spitzenmanschetten geschützt; die Brüsseler Klöppeleien reichten bis zu seinen mittleren Fingergliedern. Auf der nackten Brust, tief in den Schluchten seines voluminösen Gewandes, trug der Jesuit das Ledersäckchen mit dem Salz, dem Lorbeer und

Weitere Kostenlose Bücher