Die Hexe soll brennen
war, sagte Straßmayr: »Hier genau liegt das Punktum, mein Freund. Diese Katze haben wir heute noch im Sack gelassen.« Er schnaufte, weil die Gasse anstieg. »Sollen sie sich ruhig in Sicherheit wiegen für heute, sollen sie glauben, daß sie uns mit Erfolg angelogen haben. Mit Milde und bloßem Fragen bekommen wir sowieso nichts heraus aus ihnen. Aber wenn wir sie erst auf der Folter haben und ihnen dann die genannte Katz' an die Gurgel lassen, dann werden sie auch gestehen. Werden uns noch weitere Teufelsbuhlen nennen, Monhaim, das schwör ich Euch bei meiner unsterblichen Seele!«
Der Kapuziner stelzte mit hageren Beinen sorgsam über einen Hundekadaver, der mitten auf der Gasse lag, von Schmeißfliegen umschwärmt. Als es geschafft war, blickte er Straßmayr halb bewundernd, halb irritiert von der Seite an. »Ihr wollt sie also schnell auf die Folter bringen? – Nun, das heiße ich tapfer für unsere gnadenvolle Mutter Kirche streiten. Dennoch sagt der Malleus Maleficarum, daß man stets genau prüfen und wägen soll. Ich muß Euch daher pflichtgemäß fragen: Ist's auch christlich, was Ihr plant, was wir tun werden? Ich meine – sofort foltern?«
»War es etwa christlich, daß die Brut heute gelogen hat wie der Leibhaftige?« schrie Straßmayr und packte den Kapuziner an der Kutte. »Wenn wir nicht die schärfsten Waffen des Glaubens anwenden, dann werden die Teufelsbuhlen zuletzt den Glauben selbst zur Narretei gemacht haben …«
Monhaim bekreuzigte sich entsetzt. »Unausdenkbar!« flüsterte er heiser. »Die Folter also?«
»Nennen wir es lieber peinliche Befragung«, versetzte der Jesuit, der sich jetzt wieder gefangen hatte.
Die Befragung
Juli 1689
»Die zweite Vorsichtsmaßregel ist … zu jeder Zeit vom Richter und allen Beisitzern zu beachten: daß sie sich von ihr körperlich nicht berühren lassen, besonders an der nackten Verbindungsstelle der Hände und Arme; sondern sie sollen auf jeden Fall am Palmensonntag geweihtes Salz und geweihte Kräuter bei sich tragen. Diese Dinge nämlich, zusammen mit geweihtem Wachs eingewickelt und am Halse getragen, haben, wie sich … ergeben hat, eine wunderbare vorbeugende Wirksamkeit, nicht nur nach den Zeugnissen von Hexen, sondern auch infolge der Praxis und Gepflogenheit der Kirche, die zu diesem Ende derlei exorzisiert und weiht, wie es sich in deren Exorzismen ergibt, wenn es heißt: ›Zur Verscheuchung aller Macht des Feindes‹ etc.«
(Hexenhammer)
»Ihr laßt die Hexenkaue abreißen?« Simon Hanndloß, der mit dem Roßmeister im Schloß zu tun gehabt hatte, stellte die Frage, obwohl Kaspar Michel sichtlich bestrebt war, ihm auszuweichen.
»Der alte Verhau wird nicht mehr gebraucht. Stinkt auch wie die Pest«, erwiderte der Pfleger knapp, ließ den Eisenamtmann einfach stehen und stieg die unscheinbare Freitreppe zum Portal hinauf. Aber droben wandte er sich noch einmal kurz um und rief dem Eisenamtmann über die Schulter zu: »Ihr habt erledigt, was Ihr im Schloß wolltet?«
»Schon«, erwiderte Hanndloß. »Aber ich dachte, daß wir vielleicht …«
»Dann solltet Ihr Euch wieder um Euer eigenes Haus kümmern!« herrschte ihn der Pfleger, in diesem Moment ganz kurfürstlicher Beamter, an. Und damit ließ er den anderen endgültig stehen. Doch als Hanndloß die Kaue erwähnt hatte, da war er für einen Augenblick versucht gewesen, seinen Degen zu ziehen und ihn diesem Kerl ins Gekröse zu rennen.
Es war kein Wunder: Kaspar Michel kam direkt aus der Fronfeste. Seit die Folterungen begonnen hatten, war es sein zweiter kurzer Besuch in Pfatter, und er brauchte Annes Gegenwart jetzt ebenso nötig wie ein Kind seine Mutter.
Die Frau, nicht mehr blühend wie noch vor wenigen Monaten, sondern verhärmt jetzt, gealtert, wartete in der Halle auf ihn. Sie sah die rotgeränderten Augen ihres Gatten, stellte dennoch keine Frage. Es war der Pfleger, der unaufgefordert sagte: »Ich kann es nicht mehr ertragen! Anne, es bringt mich noch um!«
Er drängte sich, von Degengehänge und Harnisch behindert, an sie. Suchte Schutz bei ihr, indem er sie unbeholfen in seine Arme zog. Wenn er dies früher getan hatte, dann hatten seine Hände ihren Leib, sie, wie von selbst begriffen. Jetzt kamen sie ihm vor wie zwei Holzstücke, die gar nicht zu ihm gehörten. Er wollte seine Arme regieren, wollte sich selbst regieren, doch das Steife, Hölzerne blieb.
Anne spürte es ebenfalls. »Gehen wir nach oben«, sagte sie leise. »Du brauchst Wein und
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