Die Hexe soll brennen
den Palmkätzchen, alles am Karfreitag bei der Trauermesse geweiht. Die Wachsspäne, in die jene Ingredienzien gebettet waren, hatte Straßmayr, mit Dispens seines Oberen, eigenhändig von den Kerzen am Hochaltar geschabt.
Diesen Morgen hatte Straßmayr das Säckchen noch einmal abgenommen und lange darüber gebetet. Es war mit Weihwasser besprengt und hatte die Reliquien des Klosters berührt. Nun stellte es Straßmayrs stärkste Waffe im Kampf gegen die Hexe dar, die soeben von den Kerkerknechten in die Fragkammer gestoßen wurde.
Hinter dem Mädchen kamen die beiden alten Grueberschen. Sie mußten von den Bütteln geschleppt werden; aus eigener Kraft hätten sie sich nicht auf den Beinen halten können. Der Codex des Malleus Maleficarum schrieb vor, daß eine Hexe wegen der Beantwortung einer richterlichen Frage nur einmal gefoltert werden dürfe. Er regelte jedoch nicht, wie viele Fragen der Inquisitor stellen wollte. Und Straßmayr hatte sich während der letzten Wochen nicht mit einer einzigen begnügt: Johann und Gertrud Grueber kamen als Krüppel in die Fragkammer, mit gebrochenen Fingerknöcheln, ausgerenkten Gelenken, der Mann mit zerquetschtem Skrotum.
Angesichts des schwarzen Vorhangs im Hintergrund der Kammer ließ man sie zu Boden fallen. Die Eheleute krochen mühsam zueinander wie schutzsuchende Tiere; ansonsten achteten sie auf nichts mehr. Zwischen ihnen und dem Vorhang Christine Weinzierl, dem Alter nach zwischen Kind und Weib. Das Mädchen war noch unversehrt, hatte die Folter bislang noch nicht erfahren. Aber beim Anblick der beiden geschundenen Alten begann Christine derartig zu zittern, daß ein Kerkerknecht sie festhalten mußte. Sie hob wie eine Maschine die Hand hoch und biß sich ins Fleisch, unterdrückte so einen gellenden Schrei.
Konrad von Monhaim auf der Richterbank, hager über blutrotem Stoff, bemerkte die Bewegung, beugte sich zu Straßmayr. »Die ist aus anderem Holz als die Alten«, raunte er. »Von der werden wir heute zu hören bekommen, was wir wissen wollen.«
»Vielleicht«, antwortete der Jesuit nur. Er hatte die außergewöhnliche Angst Christines längst bemerkt, fieberte innerlich vor Lust auf das heutige Verhör, spürte, daß er heute das Böse, das Unaussprechliche würde zwingen, jagen, packen können. Aber davon drang nichts nach außen. Der Inquisitor wirkte am ruhigsten von allen, die links und rechts von ihm hinter der Balustrade saßen.
Mit Mißfallen beobachtete Straßmayr auch, daß der Pfatterer Pfleger wieder so blaß war, daß Scherer und Edlmar besorgt tuschelnd die Köpfe zusammensteckten, daß der Graf mit den Kiefern mahlte wie eine Bulldogge. Sie alle besitzen nicht den rechten Geist, dachte Straßmayr. Lassen sich von der Aura der Hexen verwirren. Wollen das Böse, das Unsagbare, das Schleierhafte gar nicht mit Stumpf und Stiel ausrotten. Nicht wirklich. Sind Feiglinge. Höchstens der Monhaim nicht. Der ist fast wie ich. Fast …
»Christine Weinzierl!« Straßmayrs Stimme war nicht einmal laut. Aber sie ließ das Mädchen zusammenzucken, als hätte ein Peitschenhieb sein Fleisch getroffen. Der Jesuit sah dieses Bild wie wirklich vor sich. Seine Brust dehnte sich. Sein Augenlid zuckte. »Willst du auch heute nicht gestehen, daß du es mit dem Satan getrieben hast? Daß du mit der Grueberschen und anderen in den Nächten auf Gabeln ausgefahren bist und die Bauern bestohlen hast? Daß du dich mit der Hexensalbe eingeschmiert hast?«
Als das Mädchen nach wie vor schwieg, zitterte, wiederum in den eigenen Handballen biß: »Wir sind nachsichtig mit dir verfahren, Christine Weinzierl – bisher! Gestehe jetzt die genannten Scheußlichkeiten, und wir wollen gnädig mit dir sein.« Der Jesuit wartete – er wartete nicht lange. Das Mädchen würgte, brachte keinen Ton heraus. »Du willst also nicht gestehen, gut!« Fast im Triumph die tragende Predigerstimme des Inquisitors. »Gut – dann schau dir die da an!« Seine Rechte zuckte vor. Es war, mit zurückschlagender Gelenkmanschette, ein Befehl an die Knechte. Die rissen die beiden alten Grueberschen hoch, drehten ihnen gleichzeitig Christine Weinzierl zu. Als sie, ganz nahe, die Wunden sah, das verkrustete Blut, die unbeschreiblich verzerrten Gesichter, würgte Christine erneut, über ihren Handballen, in den sie sich noch immer verbissen hatte, quoll dünnflüssiger Mageninhalt.
Straßmayr brachte hastig die Brüsseler Spitzen wieder an ihren Platz, schien, weil sein Handgelenk für einen
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