Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)
Sophie, dass sein Gesicht von Geschwüren verwüstet war. Ihr entfuhr ein Laut des Entsetzens.
»Wir halten Gericht.« Auch Marsilius’ Stimme hatte sich verändert. Hoffnungslosigkeit gepaart mit Rachsucht lag darin. »Schafft die beiden her.«
Sophie wurde vorwärts gestoßen. Der Blick, mit dem Marsilius sie maß, war voller Bitterkeit. Sie war die Frau, die ihn lächerlich gemacht hatte, und nun, am Ende ihres Lebens, verspottete sie ihn ein weiteres Mal, indem sie neben dem Mann stand, mit dem sie ihn betrogen hatte – wie auch immer ihr das gelungen war.
Edith, die mittlerweile ihren Platz neben Marsilius eingenommen hatte, griff nach der Hand des Burgherrn, doch er machte sich ungeduldig los. »Ich will, dass sie knien!«
Kaspar trat Marx in die Kniekehlen, so dass er stürzte. Sophie kam dem Henker zuvor, indem sie freiwillig zu Boden sackte. Marx legte den Kopf in den Nacken und blinzelte das Blut fort. Als er erkannte, was die Krankheit aus seinem Widersacher gemacht hatte, begann er abschätzig zu lachen. Dass er sich auch nie zurückhalten konnte. In Marsilius’ Züge trat etwas Bösartiges. »Gib mir dein Messer!«, befahl er Kaspar. Der Mann gehorchte. »Halt sein Gesicht still.«
Im Hof verstummte jedes Gemurmel. Schnee fiel in Marsilius’ Bart und Haare und taute dort. Er beugte sich vor, während Kaspar und ein anderer Knecht Marx vor den Burgherrn zerrten und seinen Kopf an den Haaren in den Nacken zogen.
»Verflucht noch mal, haltet ihn still!« Marsilius hob die Klinge. Und natürlich erschien kein göttlicher Engel, um ihm Einhalt zu gebieten. So war es in der Wirklichkeit nicht. Dieses Mal würde es bis zum bitteren Ende gehen. Sophie wollte fortschauen und konnte doch den Blick nicht von dem Messer und Marx’ Gesicht wenden.
»Zieht ihm die Augenlider hoch!« Marsilius wollte zustoßen – doch dann hielt er mit einem abgehackten Lachen inne. »Andrerseits: Schade, wenn du nicht mehr sehen kannst, wie deine Hure brennt. Das willst du doch, oder?« Mit einer verkrampften Gebärde zog er Marx das Messer über die Wange. Vielleicht hatte er nicht einmal das gewollt, sondern einfach das Gleichgewicht verloren. Seine Männer sprangen hinzu und zogen ihn auf den Stuhl zurück. Marx kniete immer noch. Blut sprenkelte den Schnee, und er biss sich mit verkrampften Halsmuskeln auf die Lippen.
»Und nun zu deiner Hure, zu meinem Weib! Küsse ihn«, befahl Marsilius Sophie. Sein Mund war halb geöffnet. In seinen Augen saß ein seltsamer Glanz. Er ist wahnsinnig geworden. Voller Grauen starrte Sophie auf Marx. Sein blondes Haar war grau vom Steinstaub.
»Ich sage: Küss ihn!«
Als Dirk sie knuffte, gehorchte Sophie. Ihr Herz schmerzte vor Mitleid, als sie das warme Blut mit den Lippen berührte. Sie hatten Marx die Hände auf dem Bauch gefesselt. Er berührte sie damit und ließ sie rasch wieder los.
»Du hast jetzt die Möglichkeit, dein eigenes Urteil zu mildern, Weib, indem du gestehst. Ist dieser Mann ein Hexer?«
Sophie schüttelte den Kopf. Wir gehen hindurch und haben es hinter uns.
»Wenn du leugnest, muss ich davon ausgehen, dass du dich von der sittsamen Gemeinschaft der Christen abgewandt hast und selbst zu einer Hexe geworden bist. Rede!« Marsilius beugte sich zu ihr. Seine Geschwüre mussten den gesamten Körper befallen haben. Der Mann stank von Kopf bis Fuß nach Fäulnis.
»Du schweigst? Gut. Dann stelle ich hiermit als Herr der Wildenburg, als dein Ehemann und als dein Richter fest: Du bist eine Hexe.« Er richtete sich wieder auf. Das sollte es gewesen sein? Wieso hatte er es plötzlich so eilig? Waren seine Schmerzen zu heftig geworden? Ertrug er sie nicht länger? »Das Gericht ist beendet und das Urteil …«
Ein lauter Ruf peitschte über den Hof. »Lichter!« Einer der Wächter beugte sich über die Mauer des Wehrgangs und brüllte: »Ich sehe Reiter, Herr. Dutzende. Mit Fackeln. Sie kommen von Zingscheid und halten im Galopp auf die Burg zu!«
Sekundenlang war es totenstill. Noch einmal schaffte Marsilius es, sich gerade hinzusetzen. Es rang nach Worten, aber die Schmerzen setzten ihm zu, und er hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Als er nichts sagte, erhob Edith die Stimme. »Schließt die Tore und zieht die Brücke herauf!«
Die Menschen starrten auf die von ihnen gefürchtete Frau. Sie gehorchten erst, als Marsilius den Arm hob. »Reiter, ja?«, ächzte der Kranke. »Hast du Helfer, Sophie? Wer ist es, der dir beistehen will? Dein Papierfresser aus
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