Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
Vom Netzwerk:
Mit dem Bauch nach unten lag sie regungslos auf der dreckigen Straße. An der
Reaktion ihrer Verwandten war zu erkennen, dass sie nie mehr aufstehen würde. Die
wehklagenden Schreie erfüllten die gesamte Straße, sodass auch Maximilian und Lorenz
mit traurigem Blick die Szene verfolgten. Als Erste senkte das blonde Mädchen ihre
klaren, grünen Augen. Ihre Wangen waren von der Kälte rosig angelaufen und ihre
spitze Nase war ebenfalls ein wenig gerötet.
    »Mein Name ist Elisabeth Dannen, und wie heißt
Ihr?«
    »Ich bin Maximilian Cox, dies ist mein Bruder Lorenz.«
    Sie zog ihre herrlich geschwungenen Augenbrauen hoch und an der in
Falten gelegten Stirn konnte man erkennen, dass sie versuchte, den Namen zuzuordnen.
    »Euer Vater ist der Schmied, richtig?«
    »Ja, Frau Dannen, das ist er. Und Ihr seid die Tochter des Bürgermeisters,
wenn ich nicht irre.«
    »Ihr irrt nicht«, flüsterte sie. »Eure Familie stellt gute Waren her.«
    Jetzt antwortete Lorenz, der sich nun endlich erhoben und den Schnee
von seiner Kleidung abgeklopft hatte.
    »Habt Dank, wir geben unser Bestes«, sagte er gepresst.
    »Ihr habt mir das Leben gerettet. Wie kann ich Euch dafür entlohnen?«,
fragte Elisabeth forsch.
    Es war wieder Maximilian, der als Erster antwortete.
    »Ein Lohn ist dafür nicht nötig, Frau Dannen.« Schon im Begriff sich
umzudrehen, fasste sie Lorenz’ Arm. »Seht Euch an! Ihr seid völlig durchgefroren,
eine Tasse Tee in der Gaststätte könnt Ihr nicht ausschlagen.«
    Ihr einladendes Lächeln und ihr harter Griff ließen keine andere Antwort
zu, als einzuwilligen. Die Brüder hatten sie bereits mehrmals gesehen, wie sie mit
ihrem Vater am Markt Waren einkaufte oder mit einer der großen Kutschen durch das
Stadttor gefahren wurde. Jedoch hatten sie sich nie Antlitz in Antlitz gegenübergestanden.
Von Weitem hatte sie schon umwerfend ausgesehen, aber jetzt, da sie nur wenige Ellen
trennten, wurde dieser Eindruck noch einmal übertroffen. Einen kurzen Blick austauschend,
willigten sie schließlich ein. Noch einmal drehten sie den Kopf zu den Angehörigen
der Frau, deren Wimmern immer noch die Straße erfüllte. Auch wenn der Tod als ständiger
Begleiter in dieser finsteren Zeit erschien, war der Vorfall, an einem Sonntag von
Pferden niedergetrampelt zu werden, ein neuer Tiefpunkt in dieser Stadt. Maximilian
und Lorenz kannten die Frau nicht und hatten nicht vor, jetzt Mitgefühl zu heucheln.
Nach wenigen Augenblicken waren ihre Gedanken schon bei der dampfenden Tasse Tee,
die ihnen gleich in der Schenke zuteil würde.
     
    Trotz der frühen Tageszeit war die Gaststätte bereits
gut besucht. Wärme schlug ihnen entgegen, als sie die Tür öffneten. Dazu der Duft
von gepökeltem Fleisch und Bier, das einige jetzt schon zu sich nahmen. Kaum hatte
Elisabeth die Kneipe betreten, stürzte sie einem anderen Mädchen entgegen, das bereits
auf sie gewartet haben musste.
    »Elisabeth, wo warst du?«, fragte sie mit aufrichtiger Sorge.
    Die beiden umarmten sich herzlichst und ihr Blick fiel auf die Brüder,
die sich unsicher umsahen und flüsterten.
    »Wenn Vater uns hier entdeckt, dürfen wir Holz hacken bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.«
    »Mach dir keine Sorgen, Max, wir …«
    Doch sie wurden jäh von Elisabeth unterbrochen, die allem Anschein
nach ein starkes Interesse verspürte, die beiden gebührend zu entlohnen.
    »Ich muss dir meine Retter vorstellen: Lorenz und Maximilian Cox, die
Söhne des Schmiedes«, sagte sie mit einer ausladenden Handbewegung. Der Blick der
Brüder fiel auf die junge Frau. Auch sie trug einen langen Rock. Dieser allerdings
war smaragdgrün und an einigen Partien abgewetzter. An den Stellen, wo das Kleidungsstück
den Boden berührte, lösten sich bereits einige Fäden vom Saum.
    »Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen«, sagte sie mit einem
angedeuteten Knicks. Ihre Stimme war dabei leise, fast ein wenig ängstlich und trotzdem
weich wie Seide. »Mein Name ist Antonella.« Ihr scheuer Blick suchte förmlich den
Boden, anscheinend ein wenig beeindruckt von der Tat der Brüder. Bedächtig richtete
sie ihre rabenschwarzen Haare und traute sich nur eine Sekunde, ihre dunklen Augen
zu erheben.
    »Sie ist meines Vaters Adoptivkind«, ergänzte Elisabeth. »Wollen wir
uns nicht setzen?«
    Allem Anschein nach besaß Elisabeth das, was Antonella an Selbstbewusstsein
fehlte, im Überfluss. Allerdings war Zurückhaltung keine ihrer hervorstechendsten
Eigenschaften. Sie drängte die Brüder mit fester

Weitere Kostenlose Bücher