Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
Vom Netzwerk:
herannahende Unheil für einen Moment vergessen
ließ. Das Lachen der Familie war über die gesamte Straße zu hören. Dies störte jedoch
niemanden, da die Schmiede mit dem angrenzenden Haus zwar innerhalb des Walls, aber
etwas abseits der Stadt lag. Die ausgelassene Stimmung währte bis zu dem Zeitpunkt,
als das Jüngste der Kinder, Siegfried, sich leise an seine Mutter wandte. Erst zaghaft,
dann immer fester zog er am Ärmel der Frau.
    »Mutter, was ist eine Hexe?«
    Auch wenn ihr Gesicht weiter lächelte, so sprach aus ihren Augen doch
eine beschützende Angst. Vater legte das große Messer zur Seite, fuhr durch seine
dunklen Haare und lehnte sich abwartend und mit gekreuzten Armen gegen die quietschende
Lehne des Stuhls.
    »Warum möchtest du das wissen, Siegfried?«, grollte er.
    »Die anderen auf dem Markplatz erzählen über diese Anna aus Crefeld.
Sie soll eine Hexe gewesen sein«, quakte der kleine Junge.
    Wie die gesamte Familie hatte er dickes, schwarzes Haar und dazu diese
durchdringenden, immer interessiert wirkenden blauen Augen, aus denen er seine Mutter
musterte. Gedankenverloren stocherte sie in den Resten ihrer Mahlzeit.
    Es war Lorenz, der als Erster antwortete.
    »Hexen sind unheilvolle Wesen, die mit Zauberkräften ausgestattet sind«,
sagte er leise, während er sich ein Stück Brot in den Mund schob.
    Der Vater schlug auf den Tisch, wollte ihn unterbrechen, doch sein
Sohn redete weiter. »Sie sind mit Dämonen und dem Teufel im Bunde und versuchen,
uns zum Schlechten zu verführen und …«
    »LORENZ!«, schrie der Vater laut und schlug mit seiner Pranke erneut
auf den Tisch. Das Geschirr schepperte, ein Krug stürzte zu Boden. »Mach deinem
Bruder nicht solche Angst!«
    Wie schon am heutigen Morgen auf dem Marktplatz, traf sich der Blick
der beiden Männer. Einige Sekunden vergingen, bis der Vater schließlich genug hatte.
    »Geh ins Bett!«, befahl er. »Morgen musst du früh raus und die Öfen
befeuern.«
    Mit einem verschmitzten Lächeln tat Lorenz, wie ihm geheißen, und trat
den Weg in sein Zimmer an. Die Tür ließ er zu laut ins Schloss fallen und warf sich
sofort auf eines der Betten des kleinen Raumes. Eigentlich wusste er selbst nicht,
warum er das getan hatte. Seinem kleinen Bruder Angst zu machen war das Letzte,
was er wollte, und doch hatte er sich nicht zurückhalten können. Warum auch? Tagtäglich
wurden sie mit dem Tod konfrontiert. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch den
Jüngsten klar würde, dass er allgegenwärtig war und sie nur durch Gottes Gnaden
auf dieser Welt lebten. Umso früher sie dies erfuhren, desto besser. Kurz musste
er an die Frau denken, die ihren Tod unter den Hufen der Pferde gefunden hatte.
Wie unerwartet ihr Tod gekommen war und wie schnell es jeden treffen konnte. Wehmütig
seufzte Lorenz. Mit aller Macht verdrängte er die schweren Gedanken, ließ sie weiter
wandern. Bis sie schließlich fest auf einer Person hafteten, die er heute hatte
kennenlernen dürfen. Sie war anders als die Bauernmädchen, die man nach ein paar
Humpen Met mit ins Heu nehmen konnte. Sie war anders als Elisabeth, ihre wunderschöne,
wenngleich viel zu forsche Adoptivschwester, bei der sich jeder Mann glücklich schätzen
konnte, wenn sie ihn nur ansah. Ihre Avancen waren ihm nicht entgangen, und doch
musste er ununterbrochen an die dunklen, fast schwarzen Augen Antonellas denken.
Ja, sie war anders.
    »Das hast du ja wieder großartig gemacht«, fluchte Maximilian, als
er die Tür aufstieß und sich vor Lorenz aufbaute. »Mutter muss Siegfried immer noch
beruhigen und Vater muss den Kleinen gerade erklären, dass die Hexen sie nicht holen
werden, wenn sie brav ihre Gebete sprechen.«
    Maximilian schüttelte den Kopf und fasste sich an die Stirn. »Was hast
du dir nur dabei gedacht, Lorenz? Also manchmal denke ich, dass du das Ding auf
deinem Hals, was du Rübe nennst, nur zum Herumtragen hast.«
    Lorenz richtete sich auf. Dass er in diesem Moment dasselbe dachte
wie sein älterer Bruder, behielt er für sich.
    »Ich kann es dir nicht sagen. Manchmal muss ich Dinge, die ich denke,
einfach sagen, weil alles andere sich falsch anfühlen würde.«
    Maximilian stemmte die Hände in die Hüften. Unter
seinem vorwurfsvollen Blick versuchte er Milde zu verbergen. Doch Lorenz erkannte
sie, denn auch wenn Maximilian noch so sehr versuchte, seinen jüngeren Bruder zurechtzuweisen,
schien die Sanftheit in seinen Augen nie zu weichen.
    »Ich werde Mutter helfen. Du solltest morgen

Weitere Kostenlose Bücher