Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)
Hand an einen frei stehenden Ecktisch.
»Wirt! Macht uns vier Tee!«, schrie sie spitz dem bärtigen Besitzer
der Gaststätte entgegen. Erst war sein Blick verärgert und prüfend, doch als er
die Person erblickte, die gerufen hatte, nickte er nur kurz und bereitete die Getränke
zu.
»Wie kommt es, dass zwei so stattliche Burschen, wie Ihr es seid, allein
durch die Stadt schlurfen müssen?«, wollte Elisabeth wissen. Sie stützte sich dabei
verspielt auf ihr Handgelenk und blickte Lorenz unverhohlen aus ihren grünen Augen
an. Dieser allerdings schaute suchend aus dem Fenster. Würde Vater sie hier erwischen,
dann war ihm die Tracht Prügel gewiss.
Maximilian antwortete für ihn: »Wir müssen Holz
für die Nacht zusammensuchen.« Dabei pustete er bedächtig in die Teetasse. »Leider
waren die vergangenen Wochen kalt und die Öfen für das Haus und die Schmiede müssen
befeuert werden.« Er lächelte verschmitzt. »Wer konnte ahnen, dass wir in so kurzer
Zeit so viel anfertigen müssen.«
»Waffen und Rüstungen«, wisperte Antonella leise. Maximilian und Lorenz
nickten unmerklich. Fast ein wenig amüsiert blickte Elisabeth sie an.
»Ich denke nicht, dass es nötig sein wird. Vater sagt, dass der Krieg
viele Meilen von uns entfernt stattfinden wird. Unserer Stadt wird nichts geschehen.
Und er ist Bürgermeister, er sollte es wissen.«
Ein zartes Lächeln umspielte dabei Antonellas Lippen. Fast hätte man
ein kleines Kichern vernehmen können. Für einen Moment sah sie auf und ließ ihren
Blick durch den Raum schweifen. Ihre rehbraunen Augen glitzerten so intensiv, wie
es Lorenz selten gesehen hatte. Kräftig und hell strahlten ihre Pupillen. Für einen
Herzschlag schien es, als würden sie alle Kerzen, alle Lichter, ja das Sonnenlicht
selbst in einem Funkeln vereinen. Dann senkte sie ihren Blick und der Zauber war
vorbei. Während Lorenz sich zwingen musste, nicht mehr auf Antonella zu stieren,
ergriff Maximilian das Wort.
»Man sagt, dass Marschall Guébriant auf den Weg hierher ist. Was ist,
wenn Graf Lamboy ihn hier stellen möchte? Direkt vor den Toren der Stadt? Was, meint
Ihr, werden die anrückenden Truppen machen, wenn ihnen die Vorräte ausgehen?« Seine
Stimme wurde lauter, verlor allerdings an Kraft. Tatsächlich schien Maximilian ein
Talent dafür zu entwickeln, immer den empfindlichsten Nerv zu treffen. Einen Moment
lang schwiegen die vier und beobachteten den heißen Dampf, der von ihren Teetassen
aufstieg. Sie wussten, dass sie nicht allein mit dieser Angst waren. Sie lag über
jeder Stadt, die als Kriegsschauplatz dienen könnte. Eine Bürde, die die Bürger
unsichtbar, aber allzu präsent mit sich herumtrugen. Offen wurde nie darüber geredet.
Nur im Stillen, heimlich, hinter verschlossenen Türen. Selbst Elisabeth war sich
der realen Gefahr bewusst. Sie schlug nun einen ruhigeren Ton an. Zumindest für
ihre Verhältnisse.
»Und was gedenkt Ihr zu tun, wenn die Schlacht tatsächlich hier stattfindet?«
So schnell wie Maximilian eine Antwort darauf gab, konnte man fast
meinen, dass er sie mit seinen Worten schneiden wollte. »Dann werden wir kämpfen.«
Er atmete tief. »Alles, was wir lieben, ist in
dieser Stadt, und wenn wir auch nur eine Möglichkeit haben, diese französischen
Bastarde zu vertreiben, müssen wir sie nutzen.«
In diesem Punkt schienen die Brüder im Gedanken vereint. Lorenz nickte
Maximilian zu. Besser hätte er es nicht sagen können.
»Lasst uns beten, dass es nicht so ist«, war erneut die zarte Stimme
von Antonella zu vernehmen.
Elisabeth stupste sie leicht in die Seite. »Ach, macht Euch keine Sorgen.
Vater hat gesagt, dass es nicht passieren wird«, wiederholte sie monoton, aber längst
nicht mehr so sicher. Sie klammerte sich an den Gedanken, als wäre es das Einzige,
was ihr noch einen Grund gab zu lächeln. Elisabeth selbst bemerkte einen Hauch Zweifel
in ihrer Stimme. Innerhalb von einer Sekunde warf sie ihr blondes Haar zurück, setzte
ihr umwerfendes Lächeln auf und strahlte Lorenz an. Diesmal erwiderte er ihren Blick.
»Wie kommt es, dass wir uns noch nicht gesprochen haben?«, wollte Lorenz
wissen. »Wir sollten im selben Alter sein.«
»Nun …«, sagte sie schnell. »Vater reist viel herum, in die verschiedensten
Städte, um Handelsverträge abzuschließen, oder in Klöster, um Mönchen etwas zu verkaufen.
Als Bürgermeister ist man häufig unterwegs und selten in der eigenen Stadt. Leider
sind wir dadurch viel zu oft allein.«
Ein überdeutlicher
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