Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)
Wink mit dem Zaunpfahl. »Aber vielleicht …«, fügte
sie hinzu. »Sehen wir uns ja nun öfters.«
Ein weiteres Mal dieser unmissverständliche Hinweis.
Hatte Lorenz da gerade ein Zwinkern bemerkt? Nein, das hatte er sich eingebildet.
Die einfallende Sonne blendete ihn und ließ Elisabeths Gesicht gleich dem eines
Engels glänzen. Mit ihrem makellosen Aussehen gehörte sie zweifelsfrei zu denen,
die sich ihre Hochzeitspartie aussuchen konnten. Hier und im gesamten Umland. Jede
Familie wäre ohne Frage stolz, dieses Mädchen ihre Schwiegertochter nennen zu dürfen.
Oh, was würden Mutter und Vater frohlocken.
»Nun, Frau Dannen …« Lorenz’ Worte wurden jäh unterbrochen, als die
Tür der Gaststätte mit einem lauten Knall aufgerissen wurde. Alle vier blickten
zu der kleinen Person, die auf der Schwelle stand und mit hastigen Kopfbewegungen
den Raum absuchte.
»VATER!«, schrie Elisabeth erzürnt. Lorenz und Maximilian sprangen
sofort auf. Noch nie hatten sie dem Bürgermeister so dicht gegenübergestanden. Ein
kleiner, dicklicher Mann mit gutmütigen Augen und vollen, braunen Haaren schaute
sie an.
»Elisabeth! Antonella! Was macht ihr hier?« Mit kleinen, tippelnden
Schritten kam er näher. »Ich habe euch doch angewiesen, direkt nach Hause zu kommen!«
Während die Brüder ihren Kopf senkten und so eine Verbeugung andeuteten,
schien es Elisabeth zu ärgern, dass ihr Vater die Runde unterbrach. Mit beiden Händen
an ihrer Teetasse blieb sie stoisch sitzen. Antonella war aufgesprungen und blickte
scheu zu Boden. Ihr war die plötzliche Aufmerksamkeit, die die Gruppe auf sich zog,
sichtlich unangenehm.
»Aber Vater, wir trinken doch nur Tee«, sagte Elisabeth mit einer abfälligen
Geste. Der Bürgermeister quittierte dies mit Kopfschütteln.
»Schau dich mal um, mein Kind. Denkst du, dass dies der passende Ort
für euch ist?« Sofort fiel sein Blick auf die Brüder, in ihren viel zu oft getragenen
Hosen und den langen Hemden. »Nein, das ist er nicht«, sagte der Bürgermeister leise.
»Und ihr? Wer seid ihr?«, fauchte er.
»Die Söhne des Schmiedes, Herr.«
Auch wenn ihre Köpfe gesenkt waren, so fixierten beide den kleinen
Mann ganz genau. Er nickte abfällig.
»Natürlich.«
Ein weiteres Mal versuchte Elisabeth das Wort zu ergreifen.
»Vater, sie …«
»Schweig still!«, bellte er ihr entgegen. Dann drehte er sich abermals
zu den Brüdern. »Macht, dass ihr nach Hause kommt!«
Jedes Wort wäre jetzt zu viel und mit Torheit verbunden. Und obschon
der Bürgermeister sie in einer gut besuchten Gaststätte zurechtgewiesen hatte, empfand
Lorenz keinen Hass auf den kleinen Mann mit den rosigen Wangen und dem Vollbart.
Mit einem letzten Blick auf Antonella verließ er die Kneipe und wurde sofort von
der Sonne geblendet, die immer noch weiße Schneepracht zum Funkeln brachte. Er lächelte.
Obwohl er an diesem Morgen mit seinem Vater aneinandergeraten war, er einen tragischen
Todesfall im Herzen der Stadt erlebt hatte und gerade vom Bürgermeister aus der
Schenke geworfen worden war. Er lächelte. Wegen ihr.
Kapitel 3
- Purpurrot und Moosgrün -
Sie hatten es nicht für nötig befunden,
ihren Eltern von den Ereignissen des heutigen Morgens zu berichten. Die sowieso
schon angespannte Stimmung noch mehr zu belasten war das Letzte, was die Brüder
wollten. Sie halfen ihrem Vater bei den Vorbereitungen für den morgigen Tag, wobei
sie ihr Handwerk mittlerweile genauso gut beherrschten wie er. Der groß gewachsene
Schmied würde das natürlich nie laut aussprechen, doch in der Tiefe seines Herzens
wusste er es und war stolz auf seine beiden ältesten Söhne. Die Aufträge, die er
für verschiedenste Rüstungsteile und Degen bekommen hatte, brachte die kleine Schmiede
am Rande der Stadt bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Und obwohl er sich über
die Einnahmen freute und die Familie das Geld gut gebrauchen konnte, mehrten sich
doch die Zeichen, die auf eine baldige Schlacht hindeuteten. In Kriegszeiten ist
schließlich nichts so rentabel wie das Waffengeschäft.
Als alle Arbeiten des Tages erledigt waren, blieb den Brüdern noch
ein wenig Zeit, um sich mit ihren jüngeren Geschwistern eine Schneeballschlacht
zu liefern. Nach einem halbherzigen Zurechtweisen durch ihre Mutter begaben sie
sich alle zum Abendessen. Am Sonntag gab es einen Braten mit viel Getreidebrei und
Gemüse, der Duft des reich gedeckten Tisches und das prasselnde Kaminfeuer vermischten
sich zu einem Geruch, der alle das
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