Die Hexe von Hitchwick
Raum zwischen ihnen einfach verschwand.
Nun stand er direkt vor der niedrigen Holzbarriere, die das Fußende bildete. Damit war sein Weg nicht zu Ende, nein, sein Ziel lag noch zwei Armlängen entfernt. Ohne sich wirklich zu bewegen, glitt er in das Bett hinein. Der feste Zustand der Materie existierte nicht mehr, der Schatten und das Bett wurden eins.
Leonies Augen zuckten unter ihren Liedern. Ein seltsames, kaltes Kribbeln zog durch ihren Körper. Die Müdigkeit hatte sie in einen Dämmerschlaf gelockt und ihre Gedanken hatten sich zu Bildern geformt, die eine kleine Kirche zeigten. Es waren Verbindungen von Erinnerungen und Phantasie, denen sie, gleich einem unbeteiligten Zuschauer , gefolgt war. Doch plötzlich veränderte sich etwas.
Dunkelheit zog auf, verschluckte die Bilder. Sie verlor die Perspektive eines Zuschauers, wurde zum Akteur. Einem Akteur, der still auf seinem Bett lag, unwillig sich zu bewegen. Dunkelheit erfüllte den Raum , in dem sie lag. Eine schwere, zähe Dunkelheit, die näher kam und dichter wurde.
Der Schatten hatte Leonie erreicht, er stand so dicht, dass er sich mit der nächsten Bewegung auch mit ihr verschmelzen würde. Langsam senkte er den Kopf und blickte hinab auf das junge Mädchen.
Ihre geschlossenen Augen bewegten sich schneller und schneller. Ein sanftes Zittern hatte ihren Körper ergriffen, ließ ihre Lippen leicht beben. Furcht war es, die diese körperlichen Symptome auslöste. Eine Furcht geboren in ihren Gedanken, denen sie im Dämmerzustand des Schlafes hilflos ausgeliefert war.
Leonie keuchte leise, die Dunkelheit vor ihrem geistigen Auge war so undurchdringlich geworden, dass sie ihr die Luft nahm. Mit der Luft schwand auch das Gefühl für Raum und Zeit, sie lief Gefahr sich zu verlieren.
Der Schatten streckte den Arm aus, war im Begriff ihre Wange zu berühren, da durchbrach ein schrilles Piepen die Stille, die Dunkelheit.
Keuchend und mit hämmernden Herzen setzte sich Leonie auf. Verwirrt und erleichtert blickte sie sich um.
Sie musste eingeschlafen sein, die Müdigkeit hatte wohl ihren Zoll gefordert, so wie ihre Gedanken. Irgendetwas ziemlich Beängstigendes hatte sie geträumt.
Ein Schauer durchfuhr sie, noch einmal blickte sie sich um, doch alles war normal. Noch immer regnete es und das Licht in ihrem Zimmer hatte sich kaum verändert, lange konnte sie nicht geschlafen haben, auch wenn es ihr wie Stunden vorkam.
Etwas Schrilles hatte sie geweckt.
Ihr Handy!
Sie stand auf und ging zum Schreibtisch. Mitten in der Bewegung hielt sie inne. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, senkten sich ein wenig. Misstrauisches Nachdenken kräuselte ihre Stirn.
Hatte sie da gerade etwas gesehen, aus dem Augenwinkel?
Langsam wandte sie den Kopf, blickte in den großen Spiegel. Ihre Augen bewegten sich blitzschnell hin und her, suchten jeden Winkel des Spiegelbilds ab.
Es zeigte das Zimmer, nicht mehr, nicht weniger und doch hätte sie schwören können, dass sich etwas Dunkles bewegt hatte.
Einbildung !
Leonie schüttelte den Kopf, ging weiter zum Schreibtisch und suchte ihn nach dem Handy ab.
Ein Kribbeln. Die Haare in ihrem Nacken stellten sich auf. Blitzschnell drehte sie sich um.
Keiner war da!
Alles, wie immer. Sie, allein in ihrem Zimmer.
Sie würde ihr Handy nehmen, sich eine Strickjacke überwerfen und im Wohnzimmer Fernsehen schauen. Ein bisschen Ablenkung war notwen dig, ihr Verstand gaukelte ihr schon merkwürdiges Zeug vor. Wenn sie nur endlich dieses Ding finden würde, sie hatte es doch hier abgelegt.
„Da bist du ja“, sagte sie und nahm das Handy von einem Stapel Blätter.
Morgan blickt noch immer auf ihr Smartphone. Sie erwartete keine Rückmeldung auf ihre SMS, vielmehr hatte sie sich in ihren Gedanken verloren.
„Wem hast du geschrieben?“, fragte Sug.
„Leonie!“, antwortete sie und ihre Gedanken lösten sich auf.
„Und warum?“
„Ich habe mich nur für ihre Hilfe bedankt.“
„Und du meinst, die Polizei tut so etwas?“, fragte Sug provozierend.
„Wenn sie es nicht tut, dann sollte sie vielleicht damit anfangen“, schnappte Morgan zurück.
„Denkst du nicht, es wäre für alle besser, wenn du in deiner Rolle bleiben würdest?“
„Du hast selbst erlebt, wie sie ist. Es war nicht gerade einfach etwas aus ihr herauszubekommen. Und jetzt, wo sie bereit ist, uns wenigstens ein Quäntchen Vertrauen zu schenken, sollten wir auch daran arbeiten, dass es so bleibt.“
Sug wusste, dass es keinen Sinn hatte, weiter mit
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