Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
unwillkommenen Hausgast.«
    »D'Urbec, Ihr habt es so geplant«, seufzte ich, indes sie ihn aus der Truhe holten. Ich wies Sylvie an, mittels Madames Netzwerk im Schutze der Dunkelheit eine Matratze und Arzneien durch den Hintereingang ins Haus schaffen zu lassen.
    »Geplant, aber wie immer übertrieben«, glaubte ich ihn flüstern zu hören, als sie ihn in die Bedientenkammer trugen.

    »So, Mademoiselle, endlich ist es geschehen. Ich nehme an, das erklärt deine verminderten Einkünfte. Vermutlich kaufst du ihm insgeheim Geschenke.« Die Schattenkönigin rutschte in ihrem großen Lehnstuhl hin und her. Das fahle Morgenlicht fiel durch das kleine Fenster ihres Kabinetts. Ich hörte das Klappern von Töpfen und Pfannen und von irgendwoher das Geschrei eines Kindes. La Voisin war noch nicht für den Tag angekleidet. Der Turban auf ihrem Haar und der Morgenrock aus gefärbtem indischem Kattun verliehen ihr ein exotisches Flair. Ihr großer grauer Kater sprang auf die Lehne ihres Stuhles und kletterte dann waghalsig auf ihre Schulter. Als sie ihn fortstieß, sah ich, daß ihre Figur ohne Korsett beträchtlich in die Breite gegangen war. Aber ihre schwarzen Augen waren noch immer scharf wie zwei Bohrer.
    »Von endlich kann kaum die Rede sein, da er nicht mein Liebhaber ist, und bislang habe ich ihm nichts gegeben als Nahrung und Arzneien. Ich kann ihn schlecht hinauswerfen. Ich versichere Euch, er bringt mich nur dann nicht in Wut, wenn er schläft. Das Haus ist zu klein für ein zusätzliches Mundwerk. Vor allem eines, das soviel redet wie das seine.«
    »Und jetzt suchst du mich zu täuschen, indem du ihn anprangerst. Glaube nicht, daß ich so dumm bin, mich in die Irre führen zu lassen. Zuerst Marie-Marguerite, und jetzt du. Wenigstens habe ich ihr zu etwas Einträglicherem verholfen als einem Zuckerbäcker. Ihr neuer Zauberkünstler gibt mir Hoffnung für die Zukunft. Aber den Geringsten der Geringen bei dir einziehen zu lassen – ein libelliste, ein Galeerensträfling! Nun gut, amüsiere dich, aber versuche nicht, mir die Unkosten für ihn unterzuschieben.« La Voisin schlug ihr großes Hauptbuch krachend zu. »Und wenn du schwanger wirst«, setzte sie hinzu, »gilt meine Standardgebühr. Dieser d'Urbec mißfällt mir, aber ich nehme an, ich muß warten, bis er dich langweilt.«
    Mir war wohl bewußt, daß sich hinter dieser Fassade der Duldsamkeit die Angst vor der Polizei verbarg. Ein ungeprüfter Fremdling war in ihr Netzwerk gestolpert. Wenn ich wütend auf sie würde und die Liebe mich alle Vorsicht vergessen ließe, wenn die Nachbarn ihn sähen – alles könnte zum Folterknecht der Polizei und zur Aufdeckung ihres geheimen Königreiches führen. Aber sie war eine Katze, die gelernt hatte, auf Eiern zu gehen. Ich konnte nicht umhin, ihre brillante Zurückhaltung zu bewundern, ihr gekünsteltes Lächeln, ihren kleinen Wutausbruch, ihre Zurschaustellung mütterlicher Nachsicht. Geneviève Pasquier würde in ihrer Macht bleiben. Ich sah auf die Schränke in ihrem Kabinett, wo sich hinter verschlossenen Türen die Borde mit säuberlich etikettierten Giften verbargen. Jetzt war nicht die Zeit. Zunächst mußte d'Urbec mit ihrer Hilfe heil und gesund entlassen werden. Dann wollte ich mich dem neuen Kampf zuwenden. Später. Nicht jetzt. Sie verstand zu warten. Jetzt wollte auch ich es lernen. Lächle, Geneviève, sie darf nicht ahnen, was du weißt.
    »Sein Zustand hat sich in den letzten beiden Tagen verschlechtert. Gilles sagt, wir brauchen einen Wundarzt. Ist einer unter uns-?«
    »Etliche. Laß mich überlegen – Dubois, nein. Chauvet, ich denke, der wäre der Beste. Die meisten von uns verstehen sich eher darauf, das Dasein der Menschen auf dieser Welt abzukürzen, nicht zu verlängern, und es wäre äußerst schwierig, sich eines Leichnams in deinem Haus zu entledigen. Dein Garten ist zu klein, die Nachbarn können hineinsehen. Wenn du ihn im Keller vergräbst, kommen die Fliegen in den Empfangssalon hinauf, und das erregt stets Verdacht. Nein, Chauvet. Es ist besser, wenn dieser d'Urbec genest und dich um einer anderen Frau willen verläßt.«

    Als ich nach Hause kam, fand ich alles in Aufruhr vor. »Laß das Abendessen von auswärts holen, Sylvie, ich sehe, du hast nichts getan«, fauchte ich, noch wütend über meine wöchentliche Unterredung.
    »Das ist kaum meine Schuld, Madame. Ich bin nicht dazu geschaffen, Krankenschwester und Hausmagd zugleich zu sein. Eure Halskrausen sind nicht gestärkt, Eure

Weitere Kostenlose Bücher