Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
versuchen wir es mit dem Haus an der Ecke –«
    »Ich danke Euch für Eure Rücksichtnahme, Messieurs. Ihr seid äußerst umsichtig mit meinem Porzellan und meinen Möbeln umgegangen.« Der Hauptmann ließ meine Geldzuwendung überaus geschickt verschwinden. Ich begleitete die Männer hinunter. Auf dem blutigen Fleck vor der Treppe stehend, verabschiedete ich sie.
    Als die Türe sich hinter ihnen schloß, zitterte ich am ganzen Leibe. Schmerzen fuhren durch meine Knochen, mir war sterbensübel.
    »Madame, sie sind fort, Ihr braucht Euch nicht –«
    »Mir ist übel, Sylvie – sieh, ich zittere – bringe eine Schüssel.« Schaudernd erbrach ich mich, und sie trugen mich hinauf. »Wo ist er?« flüsterte ich zwischen Zuckungen. »Unter dem Bett, er hockt in der Deckentruhe.«
    »Mein Gott, holt ihn heraus, ihr habt ihn getötet.«
    »Kaum, Madame. Aber er ist geknebelt, er hat so gestöhnt. Er hat das Opium zurückgewiesen, um nicht im Schlaf aufzuschreien. Eine tapfere Seele, Madame. Ich sehe jetzt, warum er einer Frau wie Euch gefällt. Ich finde ihn auch recht liebenswert –«
    »Laß das Geschwätz – Herrgott, das Labsal. Gib es mir, gib es mir jetzt – und holt den Mann unter meinem Bett hervor.« Ich trank gleich aus der Flasche, so wie ein Trunkenbold den Kopf unter den Zapfhahn eines Weinfasses hält. Als das Feuer in meinem Innern verging, wußte ich endgültig, daß das Labsal mich mit seinen Klauen umfangen hielt. Ich konnte nicht leben ohne La Trianons Arznei; ich konnte nicht leben ohne La Voisins philanthropische Gesellschaft. Logik. Ich war so fest in der Macht der Schattenkönigin wie La Montespan oder meine Mutter mit ihren ohnmächtigen, habgierigen Träumen, und ich hörte ihr Lachen, als wäre sie hier im Zimmer. »Kleine Marquise, warum braucht ein kluges Mädchen wie du so lange, um zu erkennen, wie es um sie steht?« Ich fühlte mich wie eine ertrinkende Ratte, die ans Ufer des Flusses gespült wird. Geschwächt von den Schmerzen, die nun nachließen, geschwächt von dem Wissen, wie es um mich stand. Gilles hatte die Truhe hervorgezogen und entriegelte sie. Gemeinsam mit Mustafa richtete er die abgezehrte Gestalt in der offenen Truhe auf.
    »Alle Wetter«, flüsterte d'Urbec, als sie ihm mein zweitbestes Schnupftuch aus dem Mund zogen. »Dies ist wahrlich eine neue Art, in das Schlafgemach einer Frau einzutreten. Doch ich fürchte, die Qualität meiner Unterhaltung wird die unsterbliche Reputation des Palais Rambouillet nicht in den Schatten stellen.
    O verflucht. Ich sehe, Ihr habt die Flasche mit der Arznei geleert, Athena.«
    »Madame ist plötzlich übel geworden«, sagte Sylvie verächtlich. D'Urbec saß durchaus munter da, aber er hielt sich mit beiden Händen die Seite, wo die Wunde unter den Bandagen wieder aufgeplatzt war. Das Blut drang zwischen seinen Fingern hervor, und sein Gesicht war grau geworden. Doch seine Augen waren noch auf mich gerichtet.
    »Ihr habt heute morgen Eure übliche Dosis ausgelassen, nicht wahr?«
    »Das ist nicht Eure Sache, d'Urbec.« Ich hob den Kopf vom Kissen und funkelte ihn an. Aber mein Gesicht war von Tränen und verschmiertem weißem Puder verklebt, und ich machte gewiß keinen grimmigen Eindruck. Wann würde ich jemals lernen, etwas richtig zu machen? »Sylvie, hole ihm den Branntwein. Und sieh zu, daß er die Truhe nicht so beschmutzt.« Meine Haarnadeln und mein Schleier waren auf dem Bett verstreut, mein Kleid war halb aufgeknöpft, ich war von den Stangen des Stahlkorsetts befreit. In meinem Mund war ein bitterer Geschmack. Ich machte mich vor einem Fremden lächerlich. Und nicht einfach vor irgendeinem Fremden. Vor einem verfluchten l ibelliste.
    »Wenn Ihr über dies alles schreibt, d'Urbec, ich schwöre, ich werde Euch töten.«
    »Das wäre kaum die rechte Art von mir, Euch zu entgelten, daß Ihr mir Gastfreundschaft erwiesen habt«, erwiderte er mit leiser Stimme. »Ihr müßt mir zugestehen zu wissen, was sich ziemt, wenngleich ich mich in meinem gegenwärtigen Zustand der – hm, Geldverlegenheit auf das Schreiben von libelles verlegt habe. Außerdem«, fügte er hinzu, »bin ich nicht in der Verfassung, mich aus Eurer Truhe zu erheben, geschweige denn zur Druckerei zu laufen. Und Ihr müßt den Tatsachen ins Auge sehen, Athena. Die Nachbarn beobachten das Haus. Jeden Gast und jede Kutsche. Ein Besuch der Polizei erregt stets nachbarliches Interesse. Bis ich imstande bin, im Dunkeln hier herauszuspazieren, habt Ihr einen

Weitere Kostenlose Bücher