Die Hexe von Paris
gesehen.«
»Mademoiselle Pasquier«, sagte er langsam, »worauf habt Ihr Euch eingelassen?«
»Glaubt mir, Monsieur Lamotte, Ihr wünscht es nicht zu wissen. Belaßt es dabei. Er braucht Euch, und ich habe viel aufs Spiel gesetzt.« Endlich sahen wir uns wieder, aber nichts war, wie ich es mir erträumt hatte.
»Lamotte, du bist doch noch gekommen.« D'Urbec konnte den Kopf nicht heben.
»Alter Freund, wie konntest du so gering von mir denken? Ich bin gekommen, sobald ich es vernahm.«
»Das Geld, das ich bei dir ließ. Hast du es noch?«
»Es hat sich verdoppelt.«
»Gut. Ich wünsche, daß du es meinen Eltern schickst. Nicht, in das Haus in Aix. In dieser Jahreszeit ist meine Mutter bei ihrer Schwester in Orléans zu Besuch. Schicke es dorthin. Rue de Bourgogne. Das Haus der Witwe Pirot. Und sorge dafür, daß ich ein anständiges Begräbnis bekomme, willst du das tun? Und sei es nur um Mutters willen.« Lamotte brach in Tränen aus. »Komm, komm, nicht weinen«, flüsterte d'Urbec. »Mein Unglück hat ein Ende. Wer hätte das gedacht? Ein dummer Zufall. Eine Begegnung mit Raufbolden auf der Straße. Es hätte zu jeder Zeit geschehen können. Sie waren nicht einmal meine Feinde. Sage Griffon, ich komme nicht zurück. Wenigstens hat Mademoiselle Pasquier dafür gesorgt, daß ich nicht zur ewigen Schande meiner Eltern auf den Galeeren gestorben bin.«
»Ich werde ihnen sagen, daß du ehrenhaft gestorben bist«, antwortete Lamotte. Er setzte sich auf die niedrige Lagerstatt und ergriff die Hand seines Freundes. So blieb er lange sitzen, nachdem d'Urbec die Augen geschlossen hatte, und lauschte auf den Atem des Todkranken, indes ihm die Tränen still übers Gesicht rannen.
Während mehrerer Tage veränderte sich d'Urbecs Zustand kaum. Obgleich das Fieber sank, regte er sich wenig, sah mich, wann immer ich die Kammer betrat, mit halb geschlossenen Augen an. Dann, an einem schwülen Augustmorgen, als die Geschäfte besonders schlecht gingen und ich verdrießlich war, da ich d'Urbecs wegen dem Hof nicht nach Fontainebleau folgen konnte, vernahm ich laute Schläge an der Eingangstüre. Ich schob den Band Tacitus, in dem ich lustlos las, unter den drapierten Tisch, in der Hoffnung, es sei endlich Kundschaft. Ich zog meinen Schleier herunter, staubte eilends meine Glasvase ab und schickte Mustafa zur Tür.
»Geh mir aus dem Weg, Kleiner – oh, du gräßliches Geschöpf, du hast Barthaare! Ah, da ist sie, die Teufelin, da sitzt sie ganz in Schwarz! Siehst du, Marie-Claude, ich habe dir gesagt, wir müssen auf der Stelle hierher!«
»Jeanne-Marie, wie recht du hattest. Wahrlich, es kam mir gleich nicht geheuer vor.« Die beiden staubbedeckten Frauen stellten ihre Reisetaschen auf meiner Schwelle ab, ohne daß man sie hereingebeten hätte. Die eine war groß und korpulent, gekleidet in die wenig elegante Seide der Witwe eines ProvinzWürdenträgers. Die andere war klein und dunkel und so behende wie eine Spitzmaus. Sie trug ein schäbiges, verstaubtes Kleid aus grobgewebter Wolle und einen Umhang. Ein gewaltiger Strohhut, mit breiten Bändern über ihrer Hausfrauenhaube befestigt, zeugte von ihrer jüngst beendeten Reise. Die kleine Behende, Jeanne-Marie, ergriff als erste das Wort.
»Ihr seid das schamlose Flittchen, das ihn mit fatalen Ränken in ein tödliches Duell gelockt hat. Ihr seid schlechter, als ich es für möglich gehalten hätte! Komm, Marie-Claude, er muß oben sein, genau wie der Herr sagte, verwundet aus fataler Leidenschaft –« Und die Frauen stürmten auf die Treppe zu.
»Mustafa, die Treppe!« befahl ich. Und während er den Weg verstellte, blickte ich in zwei Paar scharfe, entrüstete schwarze Augen.
Ich erhob mich und sprach mit fester Stimme: »Ihr seid weder in meinen Empfangssalon noch in mein Haus gebeten worden. Nennt mir Euer Begehr, oder meine Lakaien werden Euch auf der Stelle hinaussetzen.«
Sie redeten hastig durcheinander, und ich vernahm mehrmals die Worte »Chevalier de la Motte«.
»Gilles!« rief ich, und seine massige Gestalt füllte alsbald die Treppe hinter Mustafa aus. Ich erhaschte einen Blick auf Sylvies Gesicht, das neugierig vom oberen Treppenabsatz her abspähte.
»Nun – was führt Euch hierher –«
»Die Botschaft des Chevalier de la Motte, daß mein Sohn an einer tödlichen Wunde dahinsiecht, die er sich in Verteidigung der Ehre einer Dame von hohem Rang zuzog«, sagte die kleinere.
»Des – Chevalier de la Motte?«
»Ja. Ein persönlicher Freund meines
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