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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Erinnerung zu hinterlassen. Er hatte sich eine seiner leicht fließenden Tränen fortgewischt, war beim Erzählen selbst davon überzeugt, daß alles wahr war. Er hatte ihrem Sohn bessere Verhältnisse angedichtet, ein Duell, eine Liebesaffäre. Vielleicht einen Schatz und eine königliche Verschwörung obendrein. Und dieses Durcheinander war das Resultat.
    »Ihr solltet ein paar Dinge wissen. Der – äh – Chevalier de la Motte hat Euch nicht die ganze Wahrheit gesagt –«
    »Das tun sie nie, wenn es um Hofintrigen geht«, erklärte d'Urbecs Mutter. »Aber ich werde hier die ganze Wahrheit erfahren.« Während sie mir mit dem Finger drohte, ahnte ich verzagt, daß sie durchaus dazu imstande wäre.

KAPITEL 18
    D ie Schattenkönigin hatte zum Schutz vor der sengenden Nachmittagssonne die Vorhänge zugezogen. Sie trug unter ihrem Gewand aus indischem Kattun kein Korsett. Unter dem Turban, der ihr Haar bedeckte, sah ich Schweiß hervorrinnen. Sie saß matt in ihrem großen Lehnstuhl, die Füße in bestickten türkischen Pantoffeln auf einen Schemel gestützt. Mit schlaffer Hand wies sie auf einen Stuhl, dem ihren gegenüber. Irgendwo oben lärmten ihre jüngsten Kinder mit einer Spielzeugtrommel und einem Blechhorn. In einer Ecke döste der alte Montvoisin über einem aufgeschlagenen Buch.
    »Orangenwasser?« fragte La Voisin und tupfte ein wenig von dem widerwärtig süßen Eau de Toilette auf ihre Schläfen; dann reichte sie mir den Flakon.
    »Danke, gerne«, erwiderte ich und rieb mir die kühle, alkoholische Essenz auf das Gesicht, indes die Hexenmeisterin ihren Fächer zur Hand nahm und sich eifrig unter dem Kinn fächelte.
    »So«, sagte sie, »sie sind in deinem Haus – oh, diese Kinder, ich bekomme Kopfweh – Antoine, Antoine! Ja, Ihr! Wacht auf und sagt Louise, sie soll die Kinder in den Garten bringen.«
    »›Invasion‹ ist ein besseres Wort«, entgegnete ich bedrückt und entfaltete meinen eigenen Fächer.
    »Invasion? Aber was tun sie denn?«
    »In diesem Augenblick? Sie kochen Kälberfüße aus, um Rindsgelatine zu machen. Gleich am Tage ihrer Ankunft sind sie losgegangen, sich Möbel zu mieten, die sie mir in Rechnung gestellt haben. Dann nahmen sie Gilles und die Kutsche in Beschlag und füllten die Küche mit Nahrungsmitteln – jetzt riecht mein Empfangssalon nach Knoblauch –«
    »Gelatine aus Kälberfüßen ist sehr gut für Kranke. Was sagt er dazu?«
    »Er ist verstimmt. Er sagt, er brauche derlei nicht zur Genesung, und so etwas mußte ihm ja widerfahren –«
    »Nachdem er so große Anstrengungen unternommen hat, um an das Haus einer faszinierenden alleinstehenden Frau gefesselt zu sein, wie?« Durch den Fächer gedämpft, vernahm ich ihr verächtliches Lachen. »Sage mir, warum hast du sie nicht des Hauses verwiesen?«
    »Sie drohten, mich wegen Prostitution der Polizei zu übergeben.«
    Die Schattenkönigin setzte eine grimmige Miene auf und ließ ihren Fächer zuschnappen. »Sie wissen nicht, mit wem sie ihr Spiel treiben«, sagte sie ruhig. »›Junge Frauen aus der Stadt, die Männer aus guter Familie in die Ehe zu locken suchen‹, wie?« zitierte sie. »Das kann ich mit einem Wort ändern.«
    »Ich möchte ihn nicht vernichtet sehen«, sagte ich.
    »Dann hast du ihn doch gern, trotz allem, was du sagst.«
    »Ich liebe keinen Mann. Aber ich habe den Wundarzt bezahlt und wünsche keiner Aufwendung verlustig zu gehen.« Sie nickte beifällig. Dann wechselten ihre Gedanken, und sie lächelte ihr feines spitzes Lächeln.
    »Keinen Mann außer Lamotte«, bemerkte sie, um dann zu beobachten, wie mein Gesicht vor Verlegenheit über und über rot wurde. »Ha! Verstecke dein Gesicht nicht hinter deinem Fächer. Alle Frauen in Paris lieben Lamotte. Ich wäre nicht abgeneigt, ihn selbst für ein, zwei Nächte zu besitzen, obwohl mir das keinen Vorteil brächte. Freilich, im Augenblick würde jede Frau, welche die Wege der Duchesse de Bouillon kreuzt, sich in beträchtliche Gefahr bringen. Es macht ihr Freude, Lamottes Laufbahn zu fördern, und sie zählt zu meinen besseren Klientinnen.« Eine Warnung. Der plötzliche Sinneswandel der La de Brie; und die andere, die kleine Komödiantin, die an einer mysteriösen Krankheit starb, just bevor Lamotte in das Palais de Bouillon einzog, die weitläufige Residenz, wo so viele Schriftsteller, Künstler und Musiker zum Ruhme des Hauses de Bouillon ein Auskommen fanden.
    »Auch Lamotte muß dieser Tage sehr auf der Hut sein«, bemerkte ich.
    »Das ist

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