Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
»Es hat begonnen. Eine Romanze. Oh, wie aufregend –«
    Ich steckte den Kopf in die Bedientenkammer und sah d'Urbec auf Kissen gestützt; seine Mutter, eine große Schüssel Suppe auf dem Schoß, saß bei ihm auf dem Bett und hielt einen großen Löffel in der Hand. Eine überaus spaßige Lage für den Helden eines höfischen Komplotts. Als er mich erspähte, errötete er.
    »Ihr scheint verlegen, Monsieur d'Urbec«, bemerkte ich spitz.
    »Weil ich mich nicht erheben kann, um Euch zu grüßen, wie es Eurem Stande gebührt, meine liebe Marquise«, erwiderte er und sah mich mit diesem Blick an, der jede Bedeutung in ihr Gegenteil verkehrte.
    »Wer hat die Kiste gebracht?« fragte ich.
    »Griffon kam vorbei, um nach mir zu sehen und mir Lebewohl zu sagen, nicht wahr, Mutter?« Die kleine Frau auf dem Bett blickte verärgert auf.
    »Es ist äußerst lobenswert, daß du einem Freund aus vergangenen Tagen die Treue hältst. Warum du aber als Abschiedsgeschenk eine Kiste voll skandalöser Schriften annehmen mußtest, das weiß ich nicht. Der Grund des Flusses ist der rechte Ort für derart widerwärtige Dinge«, sagte sie bestimmt.
    »Abschiedsgeschenk?« Meine Augenbrauen fuhren in die Höhe.
    »Griffon verkauft alles. Mit jedem Tag nimmt er mehr Gefahren auf sich und weniger Geld ein. Er hat einen Käufer für seine Druckerpresse gefunden und wandert nach Rotterdam aus, wo man, wie er sagt, drucken kann, was einem beliebt. Er hat mir ein Geschenk gebracht – Schriften, die er weder zurücklassen noch über die Grenze schmuggeln kann.«
    »Ein feines Geschenk«, sagte ich. »Ich dachte, er sei Euer Freund.«
    »Genau das habe ich auch gesagt.« Madame d'Urbec nickte mir selbstgerecht zu. »Man denke nur, einen Kranken mit solchen Sachen zu belasten.«
    »Er hat es gut gemeint«, verteidigte d'Urbec seinen Freund. »Es ist sein gesamter Warenbestand –« Griffon hatte ihm ein Einkommen hinterlassen für die Zeit, wenn er genesen wäre. Der aufrechte Griffon, immer mit Druckerschwärze an den Fingern. Ich stellte ihn mir vor, wie er sich jetzt zu Fuß mit seiner kleinen Familie zur Grenze durchschlug, ihre Habe in Bündeln auf dem Rücken. Lästermaul und Unruhestifter. Glückliche Reise.
    »Ich vermute, Lamotte – äh, de la Motte – hat ihm gesagt, wo Ihr zu finden seid.«
    »Er hat sich in letzter Zeit sehr um meine Belange bemüht«, sagte d'Urbec seufzend.
    »Ah, das ist der Freund, an den du dich halten solltest«, sagte seine Mutter. »Das ist einer, der etwas für dich tun kann. Du mußt deine Vorliebe für niedere Gesellschaft zügeln, Florent. Wie ich immer sagte, es erfordert nicht mehr Mühe, Freundschaft mit einem bedeutenden Menschen zu pflegen. Du vergeudest dein Talent. Überdies kannst du dir keinen Mißgriff mehr erlauben.«
    »Ja, Mutter«, sagte er ergeben.
    »Und sprich nicht in diesem Ton mit mir. Du weißt nicht, wie das ist, der hochnäsigen Frau deines Oheims nach eurem letzten kleinen – Mißverständnis gegenüberzutreten. Oh, zu gerne möchte ich ihr Gesicht sehen, wenn du zu den Großen gehörst. Als ich sie letztes Mal beim Tuchhändler sah, hat gar der Lakai, der ihre Schleppe trug, mich von oben herab behandelt! ›Ich hoffe, Ihr versteht, liebe Schwester, daß wir nicht mehr mit Eurem Sohn verkehren können, nach dem, was – geschehen ist. Glaubt mir, niemand bedauert das mehr als ich – die Jahre, die wir seine Ausbildung gefördert haben – ein Jammer – ich nehme an, wir hatten kein Recht, Dankbarkeit zu erwarten – aber unsere Position, Ihr wißt ja.‹ Ihre Position!« schnaubte sie entrüstet.
    Sie wurde von Mustafa unterbrochen, der kaum Zeit hatte, mit einer ironischen, weitschweifigen Gebärde den »Chevalier de la Motte« anzukündigen, als Lamotte persönlich hereinstürmte. Offenbar hatten weder die Hitze noch der Knoblauch seinen Enthusiasmus zu beeinträchtigen vermocht.
    »Welch große Freude zu sehen, daß es dir bessergeht, d'Urbec!« erklärte er. »Die Liebe einer Mutter – das allerbeste Heilmittel. Meiner Seel, es ist ein Wunder!« D'Urbec funkelte Lamotte erbost an, indes seine Mutter das Kompliment mit freudigem Erröten entgegennahm. Der bewundernde Blick, mit dem sie Lamotte bedachte, schien d'Urbec nur noch mehr zu erzürnen.
    »Und was riecht dort unten so köstlich nach Knoblauch?« Lamottes Charme füllte den Raum wie Parfüm.
    »Ein altes Familiengeheimnis – eine kräftigende Brühe. Meine Kinder haben sie von klein auf geliebt. Ihr verdanken sie

Weitere Kostenlose Bücher