Die Hexe von Paris
zu schließen. Perdrière, Madame, Erwerb von Pulvern, um Benehmen von Ehemann zu besänftigen. Vicomtesse de Polignac, Gifte für La Vallière, diverse Zaubereien für Liebhaber, Schatz; Rezeptur zur Vergrößerung der Brust. Poulaillon, Madame de, regelmäßig Käufe von langsam wirkendem Gift. Namen, Begehr, Zahlen: gekaufte Gifte, Menge, Art und Preis. Aphrodisiaka, Pulver, unter dem Kelch erstellt, weiße Messen für Sankt Rabboni, über Hemden gelesen, schwarze Messen mit dem Blut eines Säuglings im Kelch. Anzahl. Preis. Zweck. Die Geheimnisse der monströsen Welt des Sonnenkönigs, aufgeschrieben in einem dicken grünen Hauptbuch.
»Pasquier. Ja, hier ist es. Der Wunsch nach jugendlicher Haut – nein, Hautcreme wirkt zu langsam. Du hast nur eine einzige Chance, und die Spur darf nicht zu dir führen. Etwas, das sie in wöchentlichen Dosen nimmt. Steigernd. Allmähliches Handeln, damit sie keinen Verdacht schöpft.« Sie klappte das Buch zu. »Ein Mittel zur Wiedererlangung der Jugend – ein stärkender Sirup, um die Schönheit zur Geltung zu bringen – ich denke, das ist das richtige.« Sie stellte das Hauptbuch zurück und verschloß die Türe. Ihr alter grauer Kater erhob sich kurz aus dem Schlaf, um sich vor dem Feuer zu strecken und zu gähnen. La Voisin suchte den Schlüssel für die Innentüren des Schrankes an ihrem großen Schlüsselbund. Sie machte beide Türen weit auf, und es kamen mehrere Borde mit aufgereihten Flaschen jeder Größe zum Vorschein, alle säuberlich beschriftet. Zumeist waren es die bekannten grünen aus La Trianons Laboratorium, aber es waren auch andere darunter. Schachteln mit abgeschnittenen Haaren und Nägeln, Krüge mit seltsamen öligen Substanzen. Eine Schachtel mit schwarzen Kerzen. Etliche kleine Wachsfiguren. Größere Gefäße mit Glückshänden und anderen undefinierbaren Körperteilen, schwarz und verschrumpelt wie getrocknete Pilze. Gedörrte Kröten, Hahnenhoden. In der Stille konnte ich mein Herz klopfen hören.
»Hahnenfuß, der lachende Tod – zu auffällig; Eisenhut – nein; Krötendestillat – nein, zu charakteristisch; Diamantenpulver – zu unzuverlässig. Schierling – Salpetersäure –« Sie suchte zwei Flaschen heraus und stellte sie auf ein kleines Bord über den Schubfächern am Fuße des Schrankes. »In diesem Falle ist weißes Arsenik am besten, denke ich. Arsenik und Rosensirup – ein poetisches Flair.« Sie nahm eine grüne Flasche ohne Etikett und füllte sie mittels eines kleinen Trichters. Dann verkorkte sie sie und versiegelte den Korken mit Wachs. »Laß sehen. Ein Hauch Luxus –« Und sie schnitt ein Stückchen Goldfaden von einer hölzernen Spule, wickelte ihn um Hals und Korken der kleinen Phiole und drückte ihn in das Wachs, so daß ein Petschaft entstand. »Sehr elegant«, befand sie, als sie mir die Flasche in die kalte Hand drückte. »Denke daran«, setzte sie hinzu, »dies ist die Gerechtigkeit. Nirgends sonst kannst du sie erwarten. Ich werde der Botschaft harren, daß das Werk vollbracht ist.«
Als ich das Haus der Hexenmeisterin verließ, zitterten meine Knie so sehr, daß ich des großen Spazierstocks dringend bedurfte. La Voisin war keine Stümperin, keine Hausfrau mit einem Krug Rattengift im Schrank. Sie war eine gewerbsmäßige Giftmischerin von hohem Rang, vielleicht die größte in Europa. Als ich auf die Kopfsteine stampfte, um meine wartende Kutsche herbeizurufen, fühlte ich mich nicht mehr anderthalb Jahrhunderte alt. Ich fühlte mich wie eine Fünfjährige, klein, verängstigt und verlassen. In der Kutsche betrachtete ich die Flasche in meiner Hand. Gerechtigkeit, hatte La Voisin gesagt. »Für Euch, Vater«, flüsterte ich, als der Kutscher mit der Peitsche knallte und der Wagen in den nebligen Herbstabend ratterte. An diesem Abend wollte mir nicht einmal das Labsal Schlaf bringen. Ich nahm eine Dosis und noch eine, und selbst dann war der Schlaf voll abscheulicher Träume. Jenseits der entsetzlichen Gestalten und fremden, verzerrten Gesichter konnte ich das ironische Gesicht der Schattenkönigin vernehmen. »Endlich eine von uns, endlich, endlich –«
Am nächsten Morgen war ich krank, und am Morgen danach ebenfalls. Ich vergaß das Versprechen, das ich mir gegeben hatte, und begann die Tage mit Opium. Die Stunden glitten vorüber wie Grünaale, wirr und glitschig, eine genau wie die andere. Doch selbst der entsetzlichste Gedanke wird irgendwann alltäglich, und die grüne Flasche in der Schublade des
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