Die Hexe von Paris
Entschlossenheit, daß ich ihr glaubte. Und obwohl es nicht mein Besuchstag war, begab ich mich schnurstracks in die Rue Beauregard.
Antoine Montvoisin, in seinem fleckigen Schlafrock und seinen mottenzerfressenen Pantoffeln, ließ mich zum Seiteneingang ein.
»Sie sind alle oben. Sie sind beschäftigt«, verkündete er, als würde das alles erklären. »Ich trinke ihren Beaujolais«, sagte er, und ein verschwörerischer Ton schlich sich in seine Stimme. »Sie vergißt ihn einzuschließen, wenn alle mit einer Kundin oben sind. Möchtet Ihr etwas?«
»Nein, jetzt nicht, ich habe heute einen schwachen Magen. Habt dennoch Dank«, setzte ich hinzu, als ich seine enttäuschte Miene sah.
»Ah, da seid Ihr, Antoine. Wieder bei meinem guten Wein, wie? Schön, schenkt Euch noch ein Glas ein, dann kleidet Euch an. Ich habe heute eine Lieferung für Guibourg.« Margot kam mit einem säuberlich mit Schnur umwickelten Paket hinunter. »Oh, gut –« La Voisin drehte sich um und erblickte mich. »Ei, Marquise, was verschafft uns die Ehre? Heute ist nicht dein Abrechnungstag.«
»Ich bin gekommen, um Eure Dienste für – eine Frau in Verlegenheit – in Anspruch zu nehmen.«
»Ha! Etwa du? Wer um alles in der Welt ist es gewesen? Am Ende doch d'Urbec?«
»Nicht für mich, für meine Schwester.«
»Oho, die schöne Marie-Angélique Pasquier. Sie ist hoch hinaufgestiegen. Aber Vivonne ist wankelmütig. Wenn du wüßtest, wieviel Liebespulver gekauft wird, um es ihm ins Essen zu streuen – deine Schwester wäre gut beraten, mich auch in anderen Angelegenheiten zu konsultieren. Wer bezahlt? Vivonne?«
»Ich bezahle. Vivonne will sie zu Longueval schicken.«
»Dann ist er entweder ein Dummkopf, oder er will sie aus dem Wege haben. Da ich ihn kenne, trifft letzteres zu. Longueval ist ein Stümper.«
»Das habe ich ihr gesagt.« Während ich um den Preis feilschte, fühlte ich eine eisige Ruhe.
»Komm, nimm Platz, Marquise. Wie weit ist sie denn?« Wir setzten uns auf zwei große Lehnstühle, und sie stützte ihre Füße auf einen Schemel. Ihre Fußgelenke waren geschwollener als sonst.
»Es ist noch nichts zu sehen«, erwiderte ich.
»Oh, wie bedauerlich. Wäre es groß genug, um es Guibourg zu schicken, könnte ich einen Nachlaß gewähren. Im Augenblick herrscht Knappheit, und er bezahlt gut.«
»Bezahlt, wofür?«
»Ach, tu nicht so heikel. Sie sind schon tot, wenn ich sie ihm schicke. Er tauft sie natürlich, obgleich das nichts zur Sache tut, wenn sie nicht mehr leben. Und dann – verwendet er sie weiter. Schließlich wären sie andernfalls einfach verschwendet.«
»O ja, natürlich. Verschwenden wäre töricht«, sagte ich leichthin. Die einzige Verwendung, die ich mir für einen toten getauften Säugling vorstellen konnte, war in der schwarzen Messe, eine Spezialität von Guibourg. Die tiefschwarzen Augen der Schattenkönigin waren unergründlich, als sie beobachtete, wie ich diese Mitteilung aufnahm. Wir sahen Antoine, in seinen abgetragenen Umhang gehüllt, mit dem Paket aus der Türe stapfen. So weit war es mit Marie-Angélique gekommen, hierzu war sie verleitet worden. Wissentlich. Von ihrer eigenen Mutter.
»Sagt mir«, wandte ich mich mit ruhiger, klarer Stimme an La Voisin, »habt Ihr meiner Mutter das Gift verkauft, mit dem sie meinen Vater getötet hat?«
»Ich war neugierig, wann du das fragen würdest. Du hast dir wahrlich Zeit gelassen.«
»Es ist mir eben erst klargeworden«, log ich.
»Offen gesagt, für eine Person, welche die Zukunft so gut liest, bist du im Verstehen der Vergangenheit etwas schwerfällig. Die Antwort ist nein. Ich habe es ihr nicht verkauft. Das war La Bosse.«
»Dann ist es wahr. Er wurde ermordet, und Ihr habt es von Anfang an gewußt.« Ich traute ihrer ausweichenden Stimme nicht.
»Du mußt wissen, es gibt bestimmte Frauen, denen ich kein Gift verkaufe. Ich bin eine Künstlerin. Ich schaffe Todesarten, die unaufspürbar sind. Der lachende Tod, Vitriolöl, Krötendestillat – das ist nur für Dilettanten. Ich wünsche mir Kundschaft, die mutig, geduldig und gerissen ist. Jemand, der großes Unrecht erlitten hat und gewillt ist, meine Anweisungen genau zu befolgen, um sich zu rächen. Du zum Beispiel wärest ideal. Mein kleines – Gewerbe ist durch die Fronde entstanden. Nein, nicht wie du denkst, durch politische Konspiration, sondern durch Frauen, die ihre Güter verwalteten, als ihre Männer im Krieg waren. Sie kehren zurück, diese Herren, sie nehmen ihnen die
Weitere Kostenlose Bücher