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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Verwaltung der Finanzen aus der Hand, sie sind brutal, sie richten sie übel zu, sie drohen mit dem Kloster. Gift – es begleicht die Rechnung. Eine Familie, eine Tochter, des Geldes wegen zeit ihres Lebens mit einem Ungeheuer vermählt. Ein grausames Schicksal. Aber sie hat Hoffnung, sie hat einen Geliebten. Nur eines steht dem Glück im Wege. Meine kleinen Dienste bewahren Frauen vor der Sklaverei. In einer besseren Welt müßte ich Parfüm und Schönheitspuder verkaufen. Aber dank der Verruchtheit dieser Welt bin ich reich.«
    »Meine Mutter –«
    »Deine Mutter war eine schlechte Klientin. Rachsüchtig, wutentbrannt. Frauen wie sie teilen die Dosis nicht auf. In ihrer Hast verabreichen sie alles auf einmal. Darauf werden sie entdeckt. Unter der Folter nennen sie ihre Quelle. Dann könnte ich keine reizenden Gartenfeste veranstalten, nicht wahr? Außerdem konnte ich sie nicht leiden.« Ich fühlte, wie die Kälte sich in mein Herz stahl.
    »Dann hat sie es also getan. Warum, warum? Es war Wahnsinn. Es hat ihr nichts eingebracht.«
    »Das habe ich ihr auch gesagt. ›Vergiftet nie einen idealen Gatten, nur weil ein anderer Euch die Ehe verspricht‹, riet ich ihr. ›Zuallermindest findet heraus, wie es wirklich um die finanziellen Verhältnisse Eures Gemahls steht und was Ihr im Witwenstand zu erwarten habt, und plappert nicht einfach drauflos von einem im Ausland versteckten Vermögen, sonst steht Ihr am Ende schlechter da als zuvor. Arm werdet Ihr sein, und dazu ohne Euren Geliebten, denn er wird Euch verlassen, wenn Ihr kein Geld habt.‹ Die Frau war unfähig zur Logik. Ich erbot mich, ihr eine Glückshand zu verkaufen, um den Schatz aufzuspüren, aber sie erklärte, sie habe schon eine zur Verfügung. Ihr Ton behagte mir nicht. Sie ging im Zorn, und ich ließ La Bosse eine Warnung zukommen. La Bosse – sie vergißt sich zuweilen. Sie wird alt. Ihr gesunder Menschenverstand läßt sie im Stich, wenn sie Gold sieht. Und wenn eine von uns zugrunde geht, dann gehen wir alle zugrunde.« La Bosse. Erzrivalin, aber auch Komplizin.
    »Was hat La Bosse ihr verkauft?«
    »La Bosse war gerissen. Sie verkaufte ihr ein sehr schwaches Präparat. Doch deine Mutter war schlau. Sie probierte es an den Patienten im Spital aus. Dann kam sie zurück und kreischte, sie sei betrogen worden. ›Seht Ihr?‹ sagte ich zu La Bosse. ›Ihr hättet Euch nicht mit einer solchen Frau einlassen sollen.‹ Darauf folgte La Bosse meinem Rat und verkaufte ihr Arsenikseife, um seine Hemden damit zu waschen. Das ruft Hautentzündungen hervor wie bei der italienischen Seuche. Dann wird der Wundarzt gerufen, und meistens führt er das Werk zu Ende, indem er den Patienten zur Ader läßt, bis er verblutet. Und dabei redet er die ganze Zeit lateinisch. Genau genommen wurde dein Vater von seinem Wundarzt getötet, dank eines Prozesses, welchen deine Mutter in Gang gesetzt hat. Merke dir das und hüte dich vor Wundärzten.« Sie lachte.
    Das Gelächter hallte in meinem Kopf nach. Ihre Worte umschwirrten mich. »Arsenikpräparate«, »lachender Tod«, »zur Ader lassen, bis er verblutet«, »wutentbrannt«. Ich blickte auf meine Hände. Sie waren so fest verschränkt, daß die Knöchel weiß hervortraten.
    »Sagt mir nur eines noch«, bat ich sehr leise. »Wollt Ihr mir Gift für meine Rache verkaufen?«
    »Oh, gut. Endlich, meine Liebe, bist du eine von uns.«
    La Voisin erhob sich, und ich folgte ihr in ihr kleines Kabinett. Ihr Antlitz war von einer seltsamen, gleichmütigen Ruhe, als sie die erste Türe des hohen Schrankes aufschloß. »Früher oder später wird deine Mutter nach dir schicken, ganz gleich, in welcher Verfassung sie ist. Sie hat es nie versäumt, sich an die beliebtesten Wahrsagerinnen zu wenden. Dann mußt du bereit sein, als rächender Arm Gottes zu dienen«, sagte sie ruhig. Sie nahm eines ihrer Hauptbücher vom Bord. Es war in dunkelgrünes Leder mit goldener Prägung gebunden. Sie legte es auf ihr Schreibpult und schlug es auf. »Laß sehen«, sagte sie und fuhr mit den Fingern die sauber geschriebenen Zeilen entlang. »Pasquier – P – nein, das ist R. Meine Güte, nicht nur, daß meine Taille auseinandergeht, ich glaube, meine Augen lassen nach. Wie wir uns auch verstecken, das Alter findet uns am Ende doch.« Sie stellte R zurück und zog das richtige Hauptbuch hervor.
    Als sie das Buch durchblätterte und dabei hin und wieder innehielt, konnte ich einige Eintragungen lesen: Pajot, wünscht einen Pakt mit dem Teufel

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