Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
zu hören, als ein Degen aus der Scheide gezogen wurde.
    »Ihr wißt, daß ich unbewaffnet bin«, vernahm ich d'Urbecs feste, ruhige Stimme.
    »Ich würde meine Klinge nicht mit Euch beschmutzen, Monsieur d'Urbec von nirgendwo. Lakaien, los!« Die Schläger umkreisten d'Urbec. Hinter mir ertönte das schrille Gelächter einer Frau.
    »Genug, Monsieur de Vandeuil«, rief ich mit gebieterischem Ton, und als er sich umwandte, um zu sehen, woher die Stimme kam, schritt ich die breite Treppe hinab. Kein Laut war zu hören außer dem Poch-poch meines Spazierstocks auf den vereisten Steinen. »Ich wünsche meine Bürgschaft nicht ruiniert zu sehen.« Ich blieb unmittelbar vor seiner gezogenen Klinge stehen und sah ihn kalt an. Mein leichenblasses Antlitz ließ ihn einen Moment verharren.
    »Madame de Morville, habt die Güte, Euch aus diesem Streit herauszuhalten. Es wäre mir lieber, Monsieur de Vandeuil trüge die Konsequenzen seines Tuns.« D'Urbecs Stimme war ganz ruhig.
    »Oh, welch ein Wandel. Ich dachte, einer wie Ihr würde es vorziehen, sich hinter dem Rücken einer Frau zu verschanzen«, höhnte de Vandeuil.
    »Das hat er nicht nötig, Monsieur de Vandeuil«, sprach ich in einem Ton, von dem ich hoffte, daß er drohend und bedeutungsvoll klang. »Er ist einer von uns.«
    »Einer von Euch? Der Vereinigung alter Damen?« De Vandeuils schrilles Gekicher verriet seine Nervosität.
    »Astaroth versagt es sich nie, etwas heimzuzahlen. Richtet dies Brissac aus.« Ich sah die Spitze von Vandeuils Degen zittern und sich leicht senken. »Astaroth wartet nicht gerne, Monsieur. Ich muß Euch warnen.« De Vandeuil schob seinen Degen in die Scheide, und ich trat beiseite.
    »Ich möchte die Pflastersteine dieses erlauchten Hauses nicht beleidigen, indem ich zulasse, daß Euer Blut darauf spritzt, Monsieur d'Urbec; aus Rücksicht auf unsere Gastgeberin und auf diese alte Dame werden wir uns anderswo treffen.« Mit gespielter Tapferkeit schwenkte de Vandeuil seinen Hut und verbeugte sich.
    »Sehr wohl, Monsieur de Vandeuil, bei unserer nächsten Begegnung werde ich Vorsorge treffen, einen Degen zu tragen.«
    D'Urbec verbeugte sich ebenfalls. Als er sich umdrehte, sah er zum ersten Mal die bewaffneten Lakaien. Seine Miene war gleichmütig.
    »Monsieur d'Urbec, habt Ihr Eure Träger hier? Ich schlage vor, Ihr entlaßt sie und fahrt mit mir in meiner Kutsche. Die Straßen sind heutzutage so voller Grobiane, daß es für eine alte Dame gefährlich ist.«
    D'Urbec nahm förmlich meinen Arm. »Ich stehe Euch zu Diensten, meine liebe Marquise.« Als er mir aber in meine Kutsche half und Gilles hinten aufstieg, zischte er: »Schon wieder greift Ihr in mein Leben ein. Wann werdet Ihr des Einmischens müde? Was wollt Ihr überhaupt?«
    »Dankbarkeit gewiß nicht, Florent«, erwiderte ich, indes ich mich in die Polster zurücklehnte und meine Hände in meinen Muff schob. »Ich wünsche nicht, daß man meiner Bürgschaft auf dem Nachhauseweg auflauert.«
    »Ich habe nicht um Eure Bürgschaft gebeten. Ihr hättet Euch den Wunsch versagen können, Euch in meine Angelegenheiten einzumischen. Jetzt verschlimmert Ihr das Dilemma, das Ihr verursacht habt.«
    »Hättet Ihr die Warnung gelesen, die ich Euch zukommen ließ, würdet Ihr in keinem Dilemma stecken.«
    »Ach was. Ich mußte heute abend im Palais Soissons sein.« Seine Stimme klang abweisend. Dieser Mann benahm sich nicht wie ein routinierter Spieler.
    »Ihr habt heute abend ein Vermögen verloren, ohne mit der Wimper zu zucken. Würdet Ihr mich mehr interessieren, würde ich fragen, wer Euch deckt. Astaroth ist ungefähr der einzige, der es nicht sein kann.«
    »Eure geistigen Kräfte und Eure Bosheit sind ungetrübt, Madame de Morville. Mein Kompliment.«
    Jetzt war ich mir sicher. Ein nouvelliste, der in einer Kriegskapitale jeden und alles kannte. Einer, der einen Groll hegte. Einer, der sich mit wenig Fürsprache in jeden Kreis einschleichen konnte. Ich fragte mich, ob man seiner Familie als Gegenleistung Asyl gewährt hatte. Wohin waren sie geflohen? Nach Amsterdam? London? Aber warum ließ er mich im unklaren? Ich hatte das Gefühl, daß er mich auf die Probe stellte.
    »Es ist nur ganz normale Logik, Florent. Astaroth ist für die meisten Männer ein zu kapriziöser Dämon, um ihnen zu gefallen, und überdies ist er ein Tyrann.«
    »Kein größerer Tyrann als der König, der sich für die Sonne hält«, sagte d'Urbec ruhig.
    »Dädalus hat es mit dem Leben bezahlt, daß er der

Weitere Kostenlose Bücher