Die Hexe von Paris
Begehr vor oder entfernt Euch.«
»Aber, aber«, sagte er und beugte sich in abstoßender Vertraulichkeit über den Tisch, »laß uns Freunde sein. Verwandt ist verwandt, oder? Du schuldest deinen älteren Angehörigen Gehorsam.« Er stand auf und durchmaß das Zimmer. »Ich habe viel für dich getan. Sieh dich an! Du bist reich.« Er wies auf die kostspieligen Möbel. »Dieses Schreibpult – Intarsien – und der Wandbehang – ein Gobelin, nicht wahr? Und der Teppich – er sieht türkisch aus.« Türkisch – Mustafa war leise verschwunden, um Gilles zu holen, was er immer tat, wenn ihn ein Klient verdächtig dünkte.
»Das war kaum Euer Verdienst, Oheim. Ich schulde Euch nichts.« Seine schlauen Fuchsaugen warfen mir einen Seitenblick zu. Er setzte das selbstgefällige Lächeln auf, das einstmals die Damen so entzückt hatte. Jetzt war es ein häßliches Grinsen. Es verzerrte das zernarbte Gesicht, so daß die künstliche Nase, die von einer seidenen Kordel gehalten wurde, verrutschte.
»Ich denke doch«, sagte er.
»Es war mir klar, daß Ihr das denken würdet. Ihr seid nie etwas anderes gewesen als ein Schmarotzer. Es würde Eurem Charakter nicht anstehen, aus einem anderen Grunde als wegen Geld zu kommen«, entgegnete ich.
Er sprang knurrend vor und legte beide Hände auf mein Schreibpult. »Hüte deine Zunge, du kleines Luder, oder es wird dich alles kosten.«
»Alles, Oheim? Habt Ihr mir nicht bereits alles genommen? Und seht, was es Euch genützt hat. Seid gewarnt, Oheim, ich werde mich nie wieder berauben lassen.« Ich erhob mich, um ihm besser zu gebieten. Hart und unverwundbar im eisernen Habit der Marquise de Morville, berauschte ich mich an der Wildheit, die gleich einer Feuersbrunst aus meinem Innern emporstieg. »Bedenkt wohl, was Ihr verlangt, denn ich werde es Euch mit ebender Münze heimzahlen, welche Ihr verdient.« Mir war, als müsse mein Zorn ihn überfluten und ihn auflösen wie Vitriol, wenn er nur einen Zoll näher käme. Er konnte nicht sehen, wie Mustafa mit Gilles zurückkam. Ich bedeutete ihnen stumm, sich hinter dem Wandschirm zu verstecken, welcher die Küchentüre verdeckte.
Ich sah die Adern an Onkels Hals schwellen. Er atmete schwer. »Ich könnte dir auf der Stelle den Hals umdrehen, du grinsendes entstelltes Ungeheuer.«
»Kaum so entstellt wie Ihr«, erwiderte ich und lachte. »Hurenbock, Verderber der Unschuld, Vergifter von alten Frauen. Was gedenkt Ihr zu tun? Mich der Polizei melden? Der hätte ich auch einiges über Euch mitzuteilen.« Ich trat hinter meinem Tisch hervor. Er griff nach seinem schweren Spazierstock.
»Das Lachen wird dir vergehen, wenn ich dich anzeigen und, als Oberhaupt der Familie, in ein Kloster stecken und alles in Anspruch nehmen werde, was du besitzest«, zischte er.
»Ihr? Der Erbe der Pasquiers? Wohl kaum, Oheim. Ich bin kein unwissendes Mädchen mehr. Ihr vergeßt meinen Bruder, der alles nehmen wird. Wie töricht von Euch, nicht zu purer Erpressung zu greifen. Ihr werdet alles an die Habgier verlieren, wie ein Narr.«
»Ich will Vergeltung. Du stehst so kalt, so hochmütig da. Ich will jetzt alles, sage ich, du bist nichts! Ich habe dich genommen, du bist ein Niemand – und ich kann dich wieder nehmen. Mir widersetzt sich keine Frau.« Sein grimmiges Wolfsgrinsen legte seine spitzen Eckzähne frei. Wie Fänge. Was hatte er gemacht, seit die Polizei zuletzt von ihm hörte? Er wirkte grausam von jüngsten Untaten. Vorsicht, Vorsicht, sagte ich mir. Zeige ihm nicht, daß du Angst hast. Lähme ihn mit deiner Kälte, wie es die Viper tut mit ihrem starren, giftigen Blick. Lächelnd und ruhig schlenderte ich an ihm vorbei um den Tisch, streifte mit meinen beringten Fingern seinen Arm und stand nun einen Fuß weit von dem Wandschirm entfernt, hinter dem Gilles und Mustafa sich verbargen. Er fuhr bei meiner Berührung zusammen und fluchte, indes seine Augen meiner Hand folgten. Ich wußte, wie sehr er Geschmeide schätzte.
»Ein Niemand, Oheim? Nein, ich bin ein Jemand. Ihr seid es, der ein Niemand geworden ist. Sagt mir, Monsieur Niemand, wie beabsichtigt Ihr, wieder ein Jemand zu werden, da Erpressung Euch nicht genügt? Und welche Eurer betörten Damen hat diesmal dafür bezahlt, Euch aus dem Kerker zu holen? Hat sie sich abgewandt, als sie sah, was ihr Gemahl Euch angetan hat, Monsieur Liebhaber der Frauen? Und habt Ihr sie nun auf Eure Liste der Feindinnen gesetzt? Mich dünkt, Ihr hadert zuviel, Oheim.«
»Ich hadere nie lange, liebe
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