Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
widerwärtigen jungen Mann böse an. Er sah mein Funkeln und lachte abermals. »Mademoiselle, ich muß Euch zur Kenntnis bringen, daß eine intelligente Frau den Schlüssel zu meinem Herzen besitzt. Insbesondere eine, die freiwillig meine Abhandlung über die Rettung des Staates durch eine Fiskalreform gelesen hat. Wäre es nicht so matschig, würde ich vor Euch niederknien und mich Euch erklären, o scharfsichtige, grauäugige Athena.«
    »Ihr seid alle Spötter, ich gehe nach Hause. Meine Mutter würde Eure Bekanntschaft gewiß nicht gutheißen.« Ich wandte mich zum Gehen. Die Gassenkinder hatten aufgegeben und sich getrollt.
    »Dann begleiten wir Euch, um unserem guten Freund Lamotte zu helfen, seinen Fall voranzutreiben – und auch, um Euch vor dem Gesindel zu schützen, das in Schenken anzutreffen ist«, verkündete Griffon.
    »Zurück, Griffon, du behinderst mich«, brummte Lamotte.
    »Dann erwarte nicht, daß ich deinen nächsten Band Sonette drucke«, gab Gillet zurück.
    »Wenn meine Stücke berühmt sind, lasse ich einen anderen Drucker die Gesamtausgabe veröffentlichen und mache ihn an deiner Stelle reich«, schnaubte Lamotte.
    »Immer mit der Ruhe, Messieurs. Ihr seid in eine Sackgasse geraten, wo nur die Philosophie Eure Differenzen lösen kann.« Cato holte die zankende Gruppe ein, die mir auf dem Fuße folgte.
    »Politische Philosophie? Wann haben es politische Philosophen je verabsäumt, Scherereien und Aufruhr zu entfachen? Wegen der politischen Philosophie wurden Kriege geführt«, hielt Griffon ihm entgegen.
    Ich bog so geschwind um die Ecke in die Rue des Marmousets ein, daß sie Mühe hatten, mit mir Schritt zu halten, zumal sie dermaßen in ihren Streit vertieft waren. Dann trat Cato gewandt vor mich hin, nahm eine klassische Positur ein, eine Hand auf dem Herzen und die andere ausgestreckt wie zu einer Rede.
    »Ich appelliere an Euch, Athena. Man hat mich tief verletzt. Seht, wie sie die Königin der Wissenschaften beleidigen. Verteidigt mich, einen armen Philosophen, und meine Werke.« Wir hatten die kleine Pforte neben dem Kutschentor erreicht, die in unseren Hof führte.
    »Ihr bringt mich auf meiner Schwelle in Verlegenheit. Guten Tag, Messieurs.«
    »Oje«, sagte Griffon, indes er unser Haus von oben bis unten betrachtete. »Dies ist das Palais Pasquier. Man ist hier sehr reich. Petronius, du hast keine Chance. Du kannst schreiben, was du willst, du wirst nicht einmal eine Einladung bekommen, deine Nase zur Türe hereinzustecken.« Natürlich, Petronius. Wie wollte ein Bursche wie dieser, mit lauter Bändern und auffälligen Knöpfen, sich anders nennen als nach dem arbiter elegantiae, dem Schiedsrichter des guten Geschmacks? Doch der schnurrbärtige Kavalier hatte einen Brief aus seiner Hemdbrust gezogen, den er mir in die Hand drückte.
    »Mademoiselle, ich bitte Euch, bei allem, was heilig ist, übermittelt diese Botschaft an den geliebten Engel von oben.«
    »An Marie-Angélique?«
    »Marie-Angélique – oh, ich habe immer gewußt, daß sie ein Engel ist. Sagt ihr, ich vergehe.«
    »Das sagen sie alle.«
    »Alle? Ich habe einen Rivalen? Wer ist es?«
    »Der letzte war mein Tutor. Er schmachtete beträchtlich.«
    »Mit welchem Ergebnis?« rief Petronius, plötzlich ergrimmt.
    »Er wurde in gegenseitigem Einvernehmen fortgeschickt, um mit dem Verkauf eines Schemas für die Schulung des Gedächtnisses sein Glück zu machen.«
    »Gebrochenen Herzens, vermute ich?« Er hatte seinen leichten Ton wiedergefunden.
    »Oh, es ist anzunehmen. Aber jetzt unterweist er die Bastarde eines Landgrafen und macht der Schauspielerin Mademoiselle Du Parc den Hof.«
    »Dann war er ihrer nicht würdig. Ich dagegen bin zutiefst würdig. Nehmt meinen Brief, ich bitte –«
    »Das wird Euch etwas kosten.« Es war nur gerecht, daß ich für die öffentlichen Peinlichkeiten entschädigt wurde.
    »Ist die Liebe nicht mehr wert als bloßes Geld?«
    »Das hatte ich nicht im Sinn, Monsieur Petronius. Ich bin Euch gefällig – auf nicht ganz schickliche Weise –, und daher solltet Ihr mir auch gefällig sein. Und ich wünsche mir schon lange ein Exemplar von Eurem ›Satyricon‹. Es wäre doch nur recht und billig.«
    »Oho, Ihr seid ein schlimmes Mädchen, Mademoiselle. Jeder, der beim Erwerb der französischen Übersetzung ertappt wird, muß eine lange Strafe im Châtelet absitzen«, sagte Griffon.
    »Ich hatte an die lateinische Version gedacht. Ich kann sie nicht selbst erwerben, wie Ihr wißt. Ich werde es

Weitere Kostenlose Bücher