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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Und beim Lärm der Hochrufe brachte er mich schleunigst in ein Seitengäßchen, um den ausgelassenen Gassenkindern zu entkommen, die entschlossen schienen, uns bis zu meiner Schwelle zu folgen.
    Wir machten einen Umweg um die Ile de la Cité, aber die Gassenkinder gaben nicht auf. Ich überlegte mir gerade eine scharfe Bemerkung, als ich ein Geschrei vernahm: »Da ist er! Der große Cyrus an der Spitze seiner Truppen!« Es kam aus der offenen Türe vom »Pomme de Pin«, dem berüchtigten Treffpunkt von Möchtegern-Stücke-Schreibern und Verfassern satirischer Pamphlete. Es wurde oft von der Polizei nach den Urhebern verbotener Werke durchkämmt, da solche Leute keine feste Bleibe haben. Kurz, eine Schreiberhöhle, eine Schenke, die bei anständigen Leuten übel beleumundet war. Die Gassenkinder scharten sich hinter meinen Begleiter, als er stehenblieb, um sich an die Stimme im Innern zu wenden.
    »Und wie Cyrus trage ich den Preis davon.«
    »Ha«, sagte ein untersetzter, dunkelhaariger junger Mann, der mit einem Freund aus dem mysteriösen Loch hervortrat. »Nicht auszudenken, daß ich bis zu diesem Augenblick dachte, der unbekannte Engel sei blond.«
    »Wahrlich, die Liebe ist ein solcher Wahn, daß sie die Haarfarbe der Angebeteten verändert«, sagte der große, schäbig gekleidete Bursche, der neben dem ersten Mann erschien.
    »Ihre Schwester«, verkündete mein Begleiter mit großer Geste, »das Tor zu der Angebeteten, der Kunstschmied meines Glückes – oder meiner Verzweiflung. Mademoiselle Geneviève, gestattet, daß ich Euch mit zwei Gefährten auf meiner Lebensreise bekannt mache: Dieser ehrbar aussehende Bursche mit dem fadenscheinigen Mantel ist Jean-Baptiste Gillet, besser bekannt unter seinem Drucker-Imprimatur Griffon, der Greif. Der dunkel Gekleidete neben ihm ist weder Witwer noch jansenistischer Geistlicher, sondern Florent d'Urbec, auch Cato der Zensor genannt. Er versteht alles und billigt nichts.« Der dunkelhäutige junge Mann in dem provinziellen Anzug verbeugte sich tief, schwenkte zugleich seinen schmucklosen Hut und gaffte mich unverschämt an, ein sinnliches Lächeln auf den Lippen. Er gefiel mir nicht. Dennoch war ich von ihm gefesselt. Er hatte das Löwenhaupt, die Adlernase und die hochmütige Haltung, die in meiner Vorstellung die alten Römer besaßen. Etwas an ihm schien mir bekannt, und dann fiel es mir ein.
    »Oh, Ihr seid Cato?« wandte ich mich an ihn, »der Verfasser von ›Betrachtungen zur Gesundheit des Staatskörpers‹? Ich hatte mir Euch als gichtkranken alten Herrn vorgestellt.«
    »Mademoiselle, es ist bezeichnend für diese leichtfertigen Zeiten, daß Ihr Euch nur die Älteren mit der Fähigkeit zu ernsthaften Absichten begabt vorstellen könnt«, sagte er, indes seine dunklen Augen mich eindringlich musterten. Warum bereitete sein Blick mir Unbehagen?
    »Aber«, sagte ich, »haltet Ihr es wirklich für angemessen, den Körper so unbeirrbar in Analogie zu einer so ganz anders komponierten Ganzheit wie dem Staat zu setzen? Zum Beispiel die Funktionen des Herzens, wie sie Harvey entdeckte –« Monsieur Lamotte fuhr zurück und starrte mich an, als hätte er eine Natter unter seinem Kopfkissen entdeckt.
    »Ha, Lamotte, hast du schon wieder eine gelehrte Dame gefunden. Ich dachte, du hättest genug von précieuses«, warf Griffon ein.
    »Monsieur Gillet, ich bin keine précieuse, denn ich nenne alles bei seinem richtigen Namen und benutze keine blumigen Verschleierungen, Monsieur Drucker von unflätigen Pamphleten.«
    »Ich bitte Euch, Mademoiselle, Ihr habt mich gekränkt – ich verbreite Erleuchtung.« Griffon legte eine Hand auf seine Brust.
    »Unter dem Zeichen des lesenden Greifs? Vermutlich in Den Haag gedruckt? ›Die abscheulichen Untaten des Abbés Mariette‹, ›Die unsäglichen Taten der besessenen Schwestern von Loudon‹? Und ›La Putaine Errante‹? Das nennt Ihr Erleuchtung? Dann seid allerdings Ihr der précieux.« D' Urbec betrachtete mich mit neuen Augen, dann sah er seinen Freund an und lachte.
    »Gillet, nun mußt du ›touché‹ rufen! Sie hat sauber pariert, die belesene kleine Dame!« rief er aus und schlug Griffon auf die Schulter. »Und du, armer Freund, dir sehe ich an den Augen an, du fürchtest, die gottesgelehrte Schwester könnte ebenfalls von einem Geist besessen und somit verderbt sein. Bedenke, mein Freund, aufrichtige Rede ist löblich bei einer Frau, ist sie doch die seltenste unter den weiblichen Tugenden.« Ich funkelte den

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