Die Hexe von Paris
der schwarzen Schlinge, die meinen Arm hielt.
»Ja, das ist wahr. Mein Arm wurde jedoch bei anderer Gelegenheit verletzt. Aber er ist schon fast wieder geheilt. Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen; am Ende hat sich alles zum Guten gewendet.«
»Möge sich für Euch am Ende immer alles zum Guten wenden«, sagte er und machte im Sitzen eine halbe Verbeugung.
»Aber wie ist es Euch ergangen, Monsieur d'Urbec? Habt Ihr im Ausland viel erreicht?«
»Eine Menge«, erwiderte er leise.
Um das unbehagliche Schweigen, das darauf folgte, zu brechen, plapperte ich drauflos: »Man erzählt sich, Ihr tätigt neuerdings internationale Bankgeschäfte, Monsieur d'Urbec. Ich benötige jemanden, der sich mit ausländischen Banken auskennt. Was könnt Ihr mir über die Londoner Bankiers Cortezia und Benson sagen?«
»Seltsam, daß Ihr die erwähnt. Warum interessiert Ihr Euch für sie?«
»In meiner Familie wurde immer gemutmaßt, daß mein Vater, bevor er starb, heimlich Gelder ins Ausland verbrachte. Meine Vermutung ist, daß es seine Absicht war, sie mir zu vererben.«
»Ah. Habt Ihr das Testament gelesen?«
»Nein. Ich bin durch das Benehmen meiner Familie zu diesem Schluß gekommen. Mein Vater hat klugerweise davon Abstand genommen, es mir vor seinem Tode zu erzählen.« D'Urbec lehnte sich zurück und bedachte mich mit einem berechnenden Blick.
»Und so bewahrte er Euer Erbe vor Euren habgierigen Verwandten. Euer Vater war ein kluger Mann.«
»Aber außerordentlich mißtrauisch. Er rechnete nicht damit, daß meine Großmutter unerwartet plötzlich sterben würde, bevor sie die Überweisung der Gelder veranlassen konnte.«
»Warum erzählt Ihr mir das, Athena?«
»Weil Ihr ein Mann voller Geheimnisse seid, der sich für Rätsel interessiert.«
»Und aus noch anderen Gründen, nehme ich an. Um mich an lange vergangene Tage zu erinnern, um mein verhärtetes Herz zu erweichen. Und weil Ihr immer noch glaubt, was einen Mann interessiere, sei Geld – aber, aber, nicht weinen, sonst zerläuft Euer gräßlicher weißer Puder.« Ich fühlte mich gedemütigt, als er mir sein großes Schnupftuch anbot. Es war, als hätte er damit unser beider Alter wieder ins richtige Licht gerückt. Er ist älter, besagte das Schnupftuch, und du bist noch ein Kind. Ich nahm es trotzdem.
»Alles ist verpfuscht«, sagte ich, indes ich mir die Augen wischte. »Ihr müßt nicht bleiben.«
»Ich mußte auch nicht zurückkommen, nicht wahr?« sagte er sanft. »Aber als ich hörte – da dachte ich –«
»Ach, es war nicht so arg. Bloß dieses ranzige Schlangendestillat, das Dufos für ihn bereitet. Er hatte es in eine Weinflasche gefüllt. Als ich es roch, brachte ich es sogleich zu Madame. Sie probierte es an einem Kater aus, und er fiel auf der Stelle um. Ihr könnt Euch denken, daß sie sehr aufgebracht war. Daraufhin – nun ja, er hatte einen kleinen Unfall in seinem Laboratorium, der ihn daran gemahnte, daß er sie nicht erzürnen dürfe –«
»Und Euer Arm, Athena, wer hat ihn gebrochen?« Seine Stimme war leise, hatte aber einen leicht drohenden Klang.
»Ein – ein Erpresser. Aber er braucht Euch nicht zu kümmern. Er ist verschwunden. O Sylvie, bitte schenke Monsieur d'Urbec noch einmal ein, sein Glas ist leer.« Sylvie, die in Hörweite herumgelungert hatte, verstand den Hinweis und verzog sich mit dem Glas in die Küche.
»Verschwunden in alle Ewigkeit, nehme ich an, da ich weiß, mit welchem Gesinde Ihr verkehrt. Erpresser, Giftmischerinnen – ist Euch je in den Sinn gekommen, daß Ihr die falschen Leute kennt?«
»Ihr redet wie meine Schwester. Sie hat nur mit feinen Leuten verkehrt, und sie haben sie getötet.«
»Ich habe nie gesagt, daß Aristokraten nicht auch Erpresser und Giftmischer sein können. Ich sagte nur, daß Erpresser und Giftmischer ein schlechter Umgang sind.«
»Ihr redet, wie es im Buch jenes Engländers steht. Utopia. Es ist eine Phantasie, Florent. Wir leben in einer verruchten Welt.«
»Das ist wahr, Geneviève. Aber habt Ihr bedacht, daß sie erträglicher sein könnte, wenn wir zusammen wären?« Ich starrte ihn an. Er wirkte verlegen, stand auf, trat ans Fenster und sah hinaus, indes er mit leiser Stimme sprach. »Was glaubt Ihr, weshalb ich zurückgekommen bin? Wegen des Wetters?« Er wandte sich um und sah mich an. Sein Gesicht war dunkel, von der Sonne gebräunt, ungeschoren; die Augen, eingesunken vor Erschöpfung, sprachen von tief verborgener Traurigkeit. »Auf Seereisen hat der Mensch
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