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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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keine Zukunft sah, ging nur zu gerne mit.«
    Ich lachte laut heraus. Ich hatte seinen Charakter richtig beurteilt. Er war der Eine und Wahre, und nur er allein. »Colbert und Louvois sind Dummköpfe. Wenn sie die tüchtigen Arbeiter in Frankreich halten wollen, sollte der Staat Anreize zum Bleiben bieten, anstatt die Flucht zu bestrafen.«
    »Und schon sprechen wir über Politik, statt uns der Liebe zu erfreuen.« Er seufzte. »Ich hätte wissen müssen, daß es so kommen würde. Mademoiselle, auf welche Stufe des Einvernehmens sollen wir uns einigen, da Euch so wenig an Heirat zu liegen scheint? Constante amitié, tendre-sur-estime, oder sollen wir zum tendre-sur-inclination vorpreschen?«
    »Oh, die carte de tendre. – Ihr seid ein boshafter Mensch, Monsieur, mich so zu necken.«
    »Euch necken, Mademoiselle? Inwiefern?«
    »Nun ja – wißt Ihr –« und hier hielt ich inne, da ich fühlte, wie mein Gesicht heiß wurde, » – ich dachte nicht an eine – eine platonische Freundschaft –«

    »Ich verstehe nicht, warum Ihr mir zürnt, Madame. Jemand mußte Madame Montvoisin erzählen, daß Ihr Euch wieder mit d'Urbec eingelassen habt, und hätte ich es nicht getan, hätte ich einen Haufen Scherereien bekommen.« Sylvie schüttelte das Plumeau heftig aus und schlug dann auf die Kopfkissen ein, bis kleine Daunen in der Morgenluft schwebten. Ich saß an meinem Schreibpult, den Federkiel in der Hand, und schrieb meine Rechnungen für die wöchentliche Abrechnung mit Madame. Null, null, null. Nichts, gar nichts. Fünfundzwanzig Prozent von nichts ist nichts. Es war eine wonnevolle Woche gewesen, gemächliches Frühstück im Bett, die »Gazette de France« zerknüllt zwischen den zerknautschten Laken und ein aufgeschlagener Band Ovid neben einer heruntergebrannten Kerze auf der Nachtkonsole.
    »Höre, was der Dichter hierzu sagt«, meinte er kichernd und schlug die »Ars amandi« an der markierten Stelle auf. »Uff! Wie kann ich dir vorlesen, wenn du auf solchen Küssen beharrst? Hier, ich zeige dir etwas Besseres als das –« Und aufs neue ward die Dunkelheit von Süße erfüllt.
    Wer vermag die Zufriedenheit zu beschreiben, welche Leib und Seele erfaßt, wenn die schreckliche Leere geistiger Einsamkeit und körperlicher Sehnsucht durch einen einzigen, vollkommenen Akt ausgefüllt wird? Mit einem Blick konnten wir tausend geheime Gedanken tauschen. Aus einem Wort wurden hundert ungesagte. Ein Zitat, ein Wortspiel, ein Scherz riefen einen geistigen Widerhall hervor wie Variationen über ein einziges Thema in der Musik. Tag und Nacht wurden gleich; wir waren trunken voneinander, von der Entdeckung unendlicher Reichtümer von Geist und Körper.
    »Warum siehst du mich so an?« fragte ich, als er zufrieden in den Kissen lag, die Hände hinter seinem dunklen Haupt, indes die Mittagssonne ein leuchtendes Muster auf seinen breiten Brustkasten und die zerknitterte Bettdecke warf, die allzuwenig von uns verhüllte.
    »Weil du so schön bist«, sagte er glücklich. »Dein Antlitz, wie die dunklen Locken darüber fallen, wie deine grauen Augen leuchten, dein Leib, dein Geist, deine Seele –«
    Dann fühlte ich abermals die Wärme der Liebe aufwallen, bis sie mein ganzes Sein ausfüllte, bis in die Spitzen meiner Finger und meiner Haare hinein. Ich dachte, mein Herz würde von der Flut zerspringen.
    »Als ich dich das erste Mal dort am Fenster des großen Hauses sah, da warst du wie das Licht einer kleinen Kerze, die tapfer in der Düsternis flackerte. Jetzt strahlst du wie die Sonne –«
    »Auf ewig dein, Florent, was auch geschieht. Immerdar.« Ich legte meinen Kopf an sein Herz, um es klopfen zu hören, während er mein Haar streichelte. »Auf immer und ewig«, wiederholte ich seufzend.
    »Und ich bin dein«, erwiderte er, »komme, was da wolle.«
    Was kommen wollte, kam allzubald, wenngleich wir wußten, daß es sein mußte. Er brach wieder zu einer seiner mysteriösen Reisen auf, und ich fragte nicht, wohin er ging oder wer sein Gönner war, obwohl ich meine Mutmaßungen hatte. Was man nicht weiß, kann man schließlich nicht preiszugeben gezwungen werden. Und in der Zwischenzeit war er, dem seit der Brissac-Affäre der Zugang zu den Mancinis versagt war, bei den Feinden der Mancinis um so herzlicher willkommen. Zumal er sich gut kleidete und es sich angelegen sein ließ, große Beträge an die richtigen Leute zu verlieren, um sich an denen schadlos zu halten, die ihre Gunst verwirkt hatten.
    »Heute ist der letzte Tag,

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